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Freitag, 11. April 2014

Letztes Opfer eines Hexenprozesses in Deutschland 

Die Exekution der angeblichen Hexe war für den 11. April 1775 in Kempten vorgesehen. 
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Anna Maria Schwegelin (auch: Schwägele, Schwegele, Schwägelin), * 23. Januar 1729 in Lachen ; † 7. Februar 1781 in Gefangenschaft in Kempten, war eine Dienstmagd, die 1775 als letzte Hexe in Deutschland zum Tode verurteilt wurde. Schwegelin wuchs in ärmlichen Verhältnissen in Lachen auf, das damals als Enklave zum Territorium der Fürstäbte (des Fürststifts ) von Kempten gehörte, und verdiente sich ihren Lebensunterhalt als Magd. Ihre Dienststellen waren vor allem Bauernhöfe und Gasthäuser im Umland der Reichsstadt Memmingen . Etwa 1751 lernte die Katholikin bei einer Aushilfstätigkeit einen evangelischen Kutscher aus Memmingerberg kennen. Auf sein Eheversprechen hin, das aber nicht eingelöst wurde, wechselte sie in der St. Martinskirche in Memmingen zum lutherischen Bekenntnis. Diese Konversion versuchte sie später wieder rückgängig zu machen. In dieser schwierigen Situation sei ihr, so behauptete sie später, zweimal der Teufel erschienen. Bei der ersten Begegnung auf freiem Feld habe sie seine Annäherung noch abgewehrt, bei der zweiten auf einem einsam gelegenen Gutshof fand sie sich bereit, Gott abzuschwören und sich dem Bösen zu unterwerfen. Anschließend ließ sie sexuellen Verkehr mit dem Teufel zu. Seit dieser Zeit sei ihr der dämonische Liebhaber noch viele Male im Schlaf erschienen.

 

Aufgrund ihrer durch ein Beinleiden verursachten Arbeitsunfähigkeit wurde sie 1769 in das Leprosenhaus Obergünzburg aufgenommen und 1770 oder 1771 in das stiftskemptische Arbeitshaus Langenegg bei Martinszell überstellt. Ihre Andeutungen und merkwürdige Vorfälle führten schließlich dazu, dass eine Mitinsassin die Schwegelin im Februar 1775 bei der örtlichen Obrigkeit anzeigte, worauf sie in das Stockhaus, das Gefängnis in der Stiftsstadt Kempten (zu unterscheiden von der evangelischen Reichsstadt Kempten ), gebracht wurde.

Die Untersuchungen wurden vor dem „Freien kaiserlichen Landgericht“ des Fürststifts Kempten vom Landrichter Johann Franz Wilhelm Treuchtlinger
geleitet. Ohne gefoltert zu werden, gestand die Schwegelin den Teufelspakt, bestritt allerdings, jemals einen Schadenzauber ausgeübt zu haben. Gestützt auf die 'Constitutio Criminalis Carolina' , die 1532 für das Reich erlassene Strafgesetzgebung, und auf juristische Autoritäten des 16. und 17. Jahrhunderts, plädierte der Landrichter in seinem Gutachten wegen erwiesener Teufelsbuhlschaft auf Hinrichtung mit dem Schwert. Das Urteil wurde von drei anderen Hofräten des Fürststifts Kempten und vom Landesherrn, Fürstabt Honorius Roth von Schreckenstein (Abbildung) , unterzeichnet. Die Urteilsverkündung erfolgte am 7. April; die Hinrichtung war für den 11. April 1775 vorgesehen. Vermutlich auf den Einfluss seines Beichtvaters hin befahl der Fürstabt jedoch noch vor diesem Termin den Aufschub des Vollzugs und die Wiederaufnahme der Nachforschungen. Nach dem Juli 1775 scheint der Fall nicht mehr weiter verfolgt worden zu sein. Schwegelin blieb im Gefängnis und starb dort 1781, versehen mit den Sterbesakramenten.

Der Fall der „letzten Hexe“ galt aufgrund der schwierigen Überlieferungslage – die Originalakten galten als verschollen und befinden sich in Privatbesitz – lange Zeit als letzte Hinrichtung einer angeblichen Hexe auf dem Gebiet des Heiligen Römischen Reiches. Erst 1998 fand man heraus, dass es nicht zur Vollstreckung des Todesurteils kam. Dennoch kann Schwegelin weiterhin als letztes Opfer der Hexenverfolgung auf deutschem Boden bezeichnet werden.
 
Während die ältere Forschung noch vom Vollzug des Urteils ausging, ist inzwischen bewiesen, dass es dazu nicht kam. Argumente für eine Verzögerung lieferten offenkundige Widersprüche in den Aussagen der Angeklagten. Im Mai und Juli 1775 ergingen deshalb Briefe an benachbarte Reichsstände, von denen man sich Klarheit über wichtige Stationen ihres Lebens zu verschaffen hoffte. Nachdem diese Nachforschungen keine neuen Fakten zutage gefördert hatten, kam das behördliche Verfahren zum Stillstand. Zu einer förmlichen Begnadigung mochte man sich aber auch nicht entschließen, und Schwegelin verblieb bis zu ihrem Tod im Gewahrsam des Gefängnisses.  
 
Das letzte Todesurteil gegen eine angebliche „Hexe“ auf Reichsboden ist im Zusammenhang einer Verkettung einzelner Ursachen zu sehen. Eine Schlüsselfigur für den Ablauf des Verfahrens war der Landrichter Treuchtlinger, der seit 1736 in dieser Position in Kempten amtierte. Außer ihm waren keine anderen juristischen oder medizinischen Autoritäten in den Fall unmittelbar einbezogen. Treuchtlinger hatte auch früher schon in mindestens in zwei Hexenprozessen die Hinrichtung der Angeklagten veranlasst. Die Frage, ob Hexerei möglich sei oder nicht, war in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts gerade im katholischen Deutschland immer noch strittig. Möglicherweise hat der Fürstabt Honorius Roth von Schreckenstein durch sein Eingreifen eine Konfrontation gegensätzlicher weltanschaulicher Lager am Kemptener Hof bewusst vermieden.

Erstmals auf den Fall Schwegelin hingewiesen hatte der Forscher Carl Haas im Jahr 1865. Da fast die gesamte Überlieferung des Landgerichts des Fürststifts Kempten von den bayerischen Archivbehörden als wertlos eingeschätzt und vernichtet worden war, konzentrierte sich das Interesse auf eine im 19. Jahrhundert entstandene Teilabschrift der Prozessunterlagen im Stadtarchiv Kempten. Die Darstellung von Haas und die Publikation der Abschrift bildeten die Grundlage für die Einschätzung des Kemptener Falles als letzte Hinrichtung einer „Hexe“ im Reich, wie sie sich in fast allen älteren Gesamtdarstellungen der Hexenverfolgung findet. Die Berichtigung, dass die Angeklagte in Wahrheit nicht hingerichtet wurde, sondern im Stockhaus eines natürlichen Todes starb, gelang erst 1995 durch Recherchen in den Pfarrmatrikeln. 1998 wurden die bereits von Haas benutzten Originalakten in Kemptener Privatbesitz aufgefunden. Im Unterschied zur Abschrift sind im Originalband auch die Verhörprotokolle und der behördliche Schriftverkehr nach dem 11. April 1775 enthalten. Ein Vorfahre der jetzigen Eigentümer hatte kurz nach der Säkularisation
offensichtlich Aktenstücke aus dem ehemaligen Stiftsarchiv mit nach Hause genommen und sie so vor der Vernichtung bewahrt.
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