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Freitag, 4. April 2014

Wilhelm Ostwald

* 2. September 1853 in Riga
† 4. April 1932 in Leipzig

Deutscher Chemiker und Nobelpreisträger (1909), Begründer der physikalischen Chemie.

 

Ostwald war zweiter von drei Söhnen eines Böttchermeisters. Von 1864 bis 1871 besuchte er das Realgymnasium in Riga und schloss es mit dem Abitur ab. Schon während seines Studiums (seit 1872) an der Universität Dorpat begann er sich mit dem zu beschäftigen, was später zur Leitidee seiner wissenschaftlichen Forschung wurde, der Suche nach den Gesetzmäßigkeiten der Bildung chemischer Verbindungen. 

 

Ostwald heiratete 1880. Der Ehe entsprossen fünf Kinder. 1881 wurde Ostwald als Professor der Chemie an das Polytechnikum in Riga berufen. 1887 erfolgte der Ruf auf den Lehrstuhl für Physikalische Chemie in Leipzig. Hier wirkte er als Mitbegründer und wesentlicher Organisator der physikalischen Chemie. Neben ihm waren Ostwalds erste Assistenten Walther Nernst und Svante Arrhenius sowie Jacobus Henricus van't Hoff die führenden Männer der Physikalischen Chemie ihrer Zeit. Die Durchsetzung der elektrolytischen Dissoziationstheorie, als Hauptbestandteil der modernen Physikalischen Chemie, erfolgte im wesentlichen durch Ostwald und seine Schule sowie durch die 1887 von ihm gegründete 'Zeitschrift für physikalische Chemie'.
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1894 erfolgte die Gründung der 'Deutschen Elektrochemischen Gesellschaft', der späteren 'Deutschen Bunsen-Gesellschaft für angewandte physikalische Chemie', deren Vorsitzender er bis 1898 war. Sein energetischer Imperativ, 'Vergeude keine Energie, verwerte sie', führte in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts auch zu Überlegungen Ostwalds zur Organisation der wissenschaftlichen Arbeit. Auf chemischem Gebiet war diese Phase gekennzeichnet durch seine Überlegungen zum Katalysebegriff, deren Folge auch die Anerkennung der Bedeutung katalytischer Reaktionen in der chemischen Industrie war. So gelang zum Beispiel Fritz Haber die katalytische Drucksynthese des Ammoniaks aus dem Stickstoff der Luft und Wasserstoff (Haber-Bosch-Verfahren), die große Bedeutung für die Düngererzeugung und für die Versorgung des deutschen Militärs im Ersten Weltkrieg mit Schießpulver hatte.

1905 legte Wilhelm Ostwald auf eigenen Wunsch sein Lehramt in Leipzig nieder und siedelte in sein Landhaus nach Großbothen
über. Vom Herbst 1905 bis zum Sommer 1906 hielt er an der Harvard University, am MIT und an der Columbia-University in New York Vorlesungen zur physikalischen Chemie und zur Naturphilosophie. Er erhielt 1909 für seine Arbeiten über Katalyse und seine grundlegenden Untersuchungen über chemische Gleichgewichtsverhältnisse den Nobelpreis für Chemie. Mit Ernst Haeckel war Ostwald seit 1910 eine der führenden Figuren der kirchenfreien Weltanschauungsgemeinschaft Deutscher Monistenbund , der sich für ein wissenschaftlich begründetes Weltbild einsetzte.

 

Ostwalds Selbstbiographie 'Lebenslinien' erschien 1926 und 1927. Ostwald starb im Alter von über 88 Jahren. Bemerkenswert ist die propagandistische Tätigkeit von Ostwald zur Schaffung einer Weltsprache, die mit keiner existierenden Sprache identisch sein sollte. In den 1890er Jahren entwickelte Ostwald eine eigene philosophische Konzeption, die „Energetik“. Danach ist nur das durch Wechselwirkung sinnlich Wahrnehmbare wirklich. Wahrnehmbar seien allein Energieverhältnisse. Daher besitze nur die Energie Realität, sie sei der dem Erkenntnisstand angemessene Materiebegriff. Auch mit kulturwissenschaftlichen Fragestellungen, etwa über Malerei und über Goethe, hat sich Ostwald auseinandergesetzt. Seine aus intensiver Beschäftigung mit Farben und Farbstoffen sowie aus seiner künstlerischen Tätigkeit als Maler entstandene Farbenlehre basiert auf einer Gleichung, nach der sich die Anteile von Weiß, Schwarz und Buntfarbe zu Eins ergänzen. Insbesondere für die Textil- und Porzellanindustrie war sein 1921 herausgegebener, 2.500 Farben umfassender Atlas von Bedeutung. 
 

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Weitere Infos:  

Wilhelm Ostwald: Lebenslinien - Eine Selbstbiographie

Der Deutschen Jugend gewidmet

Erstes Kapitel - Elternhaus und Kindheit

Die Vaterstadt. Ich im Herbst 1853 in Riga, Livland, geboren. Riga gehörte damals zum Russischen Reich, in welchem der alte Julianische Kalender herrschte, den die griechisch-katholische Kirche trotz seines heidnischen Ursprunges dem christlichen Gregorianischen vorgezogen hat und vorzieht, weil der richtige von »Schismatikern« eingeführt wurde. Nach jener Rechnung fiel mein Geburtstag auf den 21. August, nach der neuen fällt er auf den 2. September. Ich war der zweite Sohn meiner Eltern; ein Bruder Eugen ging mir vorauf, ein anderer Bruder Gottfried folgte mir, beide in einem Abstande von zwei Jahren. Eine Schwester habe ich nicht gehabt.

Riga war damals im wesentlichen eine deutsche Stadt, in Bauart und Verfassung ähnlich ihrer Mutterstadt Lübeck, von der aus sie vor etwa 1000 Jahren gegründet worden war. Die ganze obere und mittlere Schicht, Adel, Großgrundbesitz, Studierte (sie wurden »Literaten« genannt), Kaufleute und Handwerker sprachen deutsch als Muttersprache und lebte ihr geistiges Leben durchaus auf dem Boden der deutschen Kultur. Waren doch beispielsweise seinerzeit die ersten Auflagen von Kants Kritik der reinen Vernunft bei dem Verleger J.F. Hartknoch in Riga erschienen. Die Landbevölkerung bestand aus eingeborenen Letten, die am Anfang des neunzehnten Jahrhunderts durch die Betätigung der livländischen Großgrundbesitzer lange vor der russischen Bauernbefreiung aus der früheren Hörigkeit entlassen und mit leidlichem Landbesitz ausgestattet waren. Sie wohnten in Einzelhöfen, die sich nicht zu Dörfern zusammengeschlossen hatten. Von dort ergoß sich ein stetiger Strom überschüssigen Nachwuchses in die Städte, vor allem in die Hauptstadt Riga, wo sie als Dienstboten, Lehrlinge usw. bereitwillig aufgenommen und im zweiten Geschlecht von der Hauptbevölkerung eingedeutscht wurden. Doch galten sie immerhin als eine geringere Schicht.

Die Russen waren durch eine Anzahl Regierungsbeamte und Militärs vertreten; eine kleine Zahl fand sich im Handel, Handwerk und als Gärtner vor. Sie galten als kulturell und gesellschaftlich minderwertig und wurden meist als unvermeidliches Übel mit kühler Höflichkeit behandelt. Eine kleine Zahl unter ihnen, die sich als Männer von europäischer Bildung auswiesen, fand wegen persönlicher Vorzüge gesellschaftliches Entgegenkommen, doch nicht ohne den Nebengedanken, daß sie doch im Grunde Fremde seien.

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