Samstag, 27. September 2014

Ulrike Boesser

München - Knapp 180 Münchner müssen sich künftig an eine neue Anschrift gewöhnen. Die Paul-Lagarde-Straße soll umbenannt werden, teilte die SPD- Stadträtin Ulrike Boesser mit. Die Münchner SPD-Stadtratsfraktion des Stadtrats beschloss das am Donnerstag. Ein neuer Name stehe noch nicht fest .

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Paul de Lagarde

Paul de Lagarde (* 2. November 1827 in Berlin als Paul Bötticher; † 22. Dezember 1891 in Göttingen) entstammte einem neo-pietistischen Elternhaus. Nachdem seine Mutter kurz nach seiner Geburt gestorben war, durchlebte er eine freudlose Kindheit. Nach der Schulzeit am Berliner Friedrich-Wilhelm-Gymnasium begann er 1844 das Studium der ev. Theologie. Während die ersten Studienjahre in Berlin wurde ihm die Begegnung mit dem Dichter und Orientalisten Friedrich Rückert zum Erlebnis. Mit überragender Begabung arbeitete er sich in die orientalischen Sprachen sowie die Grundsätze und Methoden der historisch-philologischen Textkritik ein.  

Lagarde wandte diese Methoden auf die Erstellung eines philologisch zuverlässigen Bibeltextes an. Dabei distanzierte er sich von der lutherischen Kirche, aus der er später austrat. Eine ähnliche Entwicklung vollzog Lagarde in politischer Hinsicht. Nach der Promotion 1849 in Berlin und der Habilitation für Orientalistik 1851 in Halle (Arica, 1851) brachten Lagarde seine textkritischen Arbeiten ersten Ruhm unter den Fachkollegen ein. 1852 erhielt er die Möglichkeit zu einem längeren Forschungsaufenthalts in London und Paris. 1854 trat Lagarde in den Höheren Schuldienst ein. Im selben Jahr ließ er sich von seiner Großtante Ernestine de Lagarde adoptieren, um sich damit von seiner düsteren Kindheit und Jugend loszusagen.

Trotz umfangreicher Unterrichtsverpflichtungen arbeitete er auch während seiner zwölfjährigen Lehrtätigkeit an verschiedenen Berliner Gymnasien an der Fortführung kritischer Ausgaben altchristlicher syrischer und griechischer Texte, für die er die Grundlagen während seines Forschungsaufenthalts in London und Paris zusammengetragen hatte und die er auf eigene Kosten veröffentlichte. Zugleich nahm er seinen alten Plan einer historisch-kritischen Edition der griechischen Übersetzung des Alten Testaments wieder auf. Unter Gewährung eines großzügigen Stipendiums wurde er 1866 für drei Jahre vom Schuldienst beurlaubt. 1868 verlieh ihm die Universität Halle den theologischen Ehrendoktorgrad.

1869 wurde Lagarde auf den Lehrstuhl für orientalische Sprachen an der Uni Göttingen berufen. Von dieser gesicherten Position aus entfaltete Lagarde seine zeit- und kulturkritische sowie allgemein, kirchen- und bildungspolitische Publizistik, die ihm breite Resonanz verschaffte. Auf seine Studien geht die 1908 begründete Kritische Septuaginta-Ausgabe der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen zurück. Als Nebenprodukte seiner wissenschaftlichen wie politischen Auseinandersetzungen entstanden autobiographische Skizzen sowie polemische Auseinandersetzungen mit Fachkollegen. 

Lagarde erlag kurz nach Rückkehr von einer Studienreise nach Italien 1891 im Alter von 64 Jahren in Göttingen einem Krebsleiden. Sein Nachlass wird von der Universitätsbibliothek Göttingen betreut. Seine große Privatbibliothek kaufte die New York University als Ganzes. 1897 veröffentlichte seine Witwe eine Gesamtausgabe seiner Werke.

Lagarde bedachte die kirchlich-gebundene Theologie mit sarkastischem Spott. Für ihn war die Erstellung historisch zuverlässiger Textgrundlagen das Mittel, das Evangelium von allen paulinisch-jüdischen, griechischen und kirchlich-dogmatischen Überlagerungen zu reinigen. Sein Verdienst bestand darin, entgegen den dominierenden Strömungen des deutschen Protestantismus des 19. Jahrhunderts der historisch-philologischen Methode Bahn gebrochen zu haben. Zugleich hoffte er, seine undogmatische Theologie könne als Vorläufer einer aus dem Geist des Evangeliums erwachsenden „Geist-“ oder „Zukunfts-Religion“ außerhalb aller institutionalisierten Kirchen wirksam werden.  

Lagarde sah die Nationen als ethische Mächte und als besondere Emanationen des Göttlichen an, die einem vom Schöpfer gesetzten Lebensprinzip zu folgen hätten. Eine nationale Religion sollte die Basis der inneren Einheit einer Nation werden. Deshalb lehnte er das Judentum ab als eine durch ihre Religion verbundene Nation innerhalb der deutschen Nation, die deren Einswerdung verhindere. Es gab für ihn nur die Alternative der völligen Assimilation oder Auswanderung der Juden. Lagarde formulierte: „Deutschland ist die Gesamtheit aller deutsch empfindenden, deutsch denkenden, deutsch wollenden Deutschen: jeder Einzelne von uns [ist] ein Landesverräther, wenn er nicht in dieser Einsicht sich für die Existenz, das Glück, die Zukunft des Vaterlandes in jedem Augenblicke seines Lebens persönlich verantwortlich erachtet, jeder Einzelne ein Held und Befreier, wenn er es tut.“

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