Samstag, 6. Dezember 2014

August Schleicher
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* 19. Februar 1821 in Meiningen
6. Dezember 1868 in Jena

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Deutscher Sprachwissenschaftler; gilt zusammen mit Franz Bopp als Wegbereiter der Indogermanistik.

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Schleichers Vater war im Sommer 1815 als Student in Jena an der Gründung der ersten Burschenschaft beteiligt. 1822 zog die Familie von Meiningen nach Sonneberg um, wo der Vater als Amtsarzt im Meininger Oberland tätig war. Seine Kinder- und Jugendjahre verbrachte Schleicher in Sonneberg, von wo er ab dem 14. Lebensjahr das Gymnasium im nahe gelegenen Coburg besuchte. Sein Professor am Gymnasium kam zu der Einschätzung, er sei wegen seiner weiterreichenden Interessen nicht gut für ein Sprachstudium geeignet und solle besser Theologie studieren. 

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Diesem Rat folgend begann Schleicher 1840 in Leipzig mit dem Theologiestudium. Nach dem ersten Semester wechselte er kurzzeitig an die Hochschule nach Erlangen und erkannte, dass ihm die Theologie nicht zusagte. Von Erlangen ging er nach Tübingen, wo er sich mit philosophischen Fragen befasste und sich auf das Studium orientalischer Sprachen verlegte. In kürzester Zeit erlernte er außer Hebräisch auch Sanskrit, Arabisch und Persisch. Nur widerwillig stimmte sein Vater 1843 dem Wechsel an die Universität zu. In einem Brief warnte sein Vater ihn: „Ein Philolog ist ein elender Lump, zumal wenn er wirklich einer ist. An dieses Studium Geld zu wenden, verlohnt sich nicht. ... Ganz anders steht es doch um einen Dorfpfarrer, wenn er seine Gemeinde erbaut und ihre Herzen erweicht.”
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In Bonn studierte Schleicher klassische Sprachen, wurde in die Sprachwissenschaft Wilhelm von Humboldts  eingeführt und beendete 1846 das Studium mit der Promotion.
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Nach dem Studium kehrte Schleicher nach Thüringen in seine Heimatstadt Sonneberg zurück und forschte zunächst als Privatgelehrter auf sprachwissenschaftlichem Gebiet. In Bonn war Prinz Georg von Sachsen-Meiningen
, der sich ebenfalls als Student dort aufgehalten hatte, auf ihn aufmerksam geworden. Der Erbprinz hatte Schleicher ein großzügiges Stipendium verschafft, das ihm von 1848 bis 1850 ausgedehnte Reisen und längere Forschungsaufenthalte in Paris, London und Wien ermöglichte.

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Während der Auslandsreisen arbeitete Schleicher als Korrespondent für die Augsburger Allgemeine Zeitung und die Kölnische Zeitung. 1849 reiste er nach Prag, um sich mit slawischen Sprachen zu befassen und Tschechisch zu erlernen. Neben seiner Korrespondententätigkeit hatte Schleicher einige bedeutende sprachwissenschaftliche Arbeiten veröffentlicht, so dass ihn die Prager Universität 1850 zum außerordentlichen Professor für Klassische Philologie und 1853 zum Ordinarius für vergleichende Sprachforschung, Deutsch und Sanskrit berief. Die Beschäftigung mit den ältesten slawischen Schriftdenkmälern führte ihn zu seiner „Formenlehre der kirchenslawischen Sprache“ (1852). In diesem Standardwerk führte er den Terminus „Kirchenslawisch“ in die Sprachwissenschaft ein.
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Während seiner Professur in Prag konzentrierte er sich auch auf das Litauische, welches in der Indogermanistik eine Sonderrolle einnimmt. 1852 erhielt er ein Stipendium der Wiener Akademie der Wissenschaften für eine Forschungsreise nach Ostpreußen. Dort hielt er sich ein halbes Jahr auf, erlernte in Gesprächen mit Litauern deren Sprache fließend zu sprechen und sammelte eine Menge Material für das Handbuch der litauischen Sprache, das er 1855/56 in Prag veröffentlichte. 1856 zog sich Schleicher wegen politischer Repressionen und auch aus gesundheitlichen Gründen für über ein Jahr nach Sonneberg zurück, wo er sprachwissenschaftliche Feldforschung eines mainfränkischen Dialekts betrieb.  
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1857 erhielt Schleicher das Angebot, als Professor an die philosophische Fakultät der Universität in Jena zu wechseln und verband damit große Hoffnungen für seine wissenschaftliche Arbeit, die enttäuscht wurde. Ab 1861 entwickelte sich zwischen ihm und Ernst Haeckel eine kongeniale Freundschaft. Mit ihm war es möglich, die evolutionstheoretischen und naturwissenschaftlichen Fragen zu diskutieren, die ihn als Sprachforscher beschäftigten. Im gleichen Jahr ernannte ihn die Bayerische Akademie der Wissenschaften zum korrespondierenden Mitglied. Als korrespondierendes Mitglied der Russischen Akademie der Wissenschaften in Sankt Petersburg arbeitete August Schleicher an drei größeren Werken: 'Die vergleichende Grammatik der slawischen Sprachen', 'Die vergleichende Grammatik der baltischen Sprachen' und 'Die Grammatik der slawo-baltischen Ursprache'. Sein früher Tod im Alter von 47 Jahren durchkreuzte diese Vorhaben. Schleicher starb vermutlich an Lungen-Tuberkulose. Nach seinem Tod errichtete ihm die Stadt Sonneberg einen Gedenkstein und gab einer Straße seinen Namen.
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Schleicher war der erste Linguist, der sich sehr ernsthaft der Rekonstruktion der indogermanischen Ursprache verschrieb. Schleichers Forderung geht über die Erfassung der ältesten Sprachstufe hinaus auf die Erschließung der allen gemeinsamen Urform, um alles Verschiedene auf das ursprünglich Gemeinsame zu reduzieren. Bei ihm war nicht mehr das Sanskrit der Endpunkt, sondern das Indogermanische als Ursprache vor der Trennung in die Einzelsprachen. Dabei war er sehr zuversichtlich und verfasste sogar eine kurze Fabel in dieser rekonstruierten indogermanischen Ursprache. Schleichers Wirken war für die Indogermanistik in dreierlei Hinsicht nachhaltig. Zum einen geht auf ihn die Konvention zurück, rekonstruierte Formen mit Sternchen zu versehen. Zum anderen war Schleicher der erste, der die indogermanischen Sprachen in einem Stammbaum darstellte. Die üblicherweise zitierten Lautgesetze sind mit Schleichers Stammbaum verträglich. Schließlich hat ein Schüler Schleichers, August Leskien , die Junggrammatische Schule in Leipzig mitbegründet.
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Schleicher fasste die Indogermanistik als eine Art Naturwissenschaft auf. Die ersten Sätze seines Hauptwerks (Compendium ... ) lauten: „Die grammatik bildet einen teil der sprachwißenschaft oder glottik. Dise selbst ist teil der naturgeschichte des menschen. Ire methode ist im wesentlichen die der naturwißenschaften überhaupt ... Eine der hauptaufgaben der glottik ist die ermittelung und beschreibung der sprachlichen sippen oder sprachstämme, d.h. der von einer und der selben ursprache ab stammenden sprachen und die anordnung diser sippen nach einem natürlichen systeme.”

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Zitat

Ich habe Manches in Österreich gelernt, Gutes und Schlimmes, das Beste aber, was ich dort gelernt habe, ist die innige Werthschätzung meiner deutschen Heimath und des Glückes, evangelischer Eltern Kind zu sein.

Die Indogermanische Fabel ist ein 1868 von August Schleicher verfasster kurzer Text, den er als Fabel in der rekonstruierten Ursprache Indogermanisch verstanden wissen wollte. Schleicher wollte mit diesem Text nicht nur einzelne rekonstruierte Wortformen, sondern auch deren syntaktische Verbindung im Satz zeigen.
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Avis akvāsas ka
Avis, jasmin varnā na ā ast, dadarka akvams, tam, vāgham garum vaghantam, tam, bhāram magham, tam, manum āku bharantam. Avis akvabhjams ā vavakat: kard aghnutai mai vidanti manum akvams agantam. Akvāsas ā vavakant: krudhi avai, kard aghnutai vividvant-svas: manus patis varnām avisāms karnauti svabhjam gharmam vastram avibhjams ka varnā na asti. Tat kukruvants avis agram ā bhugat.
Das Schaf und die Pferde
Ein Schaf, das keine Wolle mehr hatte, sah Pferde, eines einen schweren Wagen fahrend, eines eine große Last, eines einen Menschen schnell tragend. Das Schaf sprach: Das Herz wird mir eng, wenn ich sehe, dass der Mensch die Pferde antreibt. Die Pferde sprachen: Höre Schaf, das Herz wird uns eng, weil wir gesehen haben: Der Mensch, der Herr, macht die Wolle der Schafe zu einem warmen Kleid für sich und die Schafe haben keine Wolle mehr. Als es dies gehört hatte, floh das Schaf auf das Feld.

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