Mittwoch, 31. Dezember 2014

Gottfried August Bürger  
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* 31. Dezember 1747 in Molmerswende im Ostharz 
† 8. Juni 1794 in Göttingen

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Deutscher Schriftsteller und Dichter.

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In seinem abgelegenen Heimatdorf im Ostharz hatte Bürger keine Möglichkeit zu geistigem Fortkommen, denn sein Vater, der Pfarrer des Dorfes, kümmerte sich wenig um seine Ausbildung. Auf Initative des Großvaters kam Bürger 1760-63 in das Pädagogium in Halle, anschließend bis 1766 auf die dortige Universität zum Theologie-Studium. Sein Interesse an poetischen Versuchen wurde u.a. durch Gleim gefördert. 

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Ab 1768 studierte er Jura in Göttingen, dort lernte er Hölty , Leisewitz , Voß , die Brüder Stolberg und andere Mitglieder des 1772 gegründeten Hainbundes kennen. 1772 wurde er Amtmann in der Gerichtshalterstelle zu Alten-Gleichen mit Sitz in Gelliehausen bei Göttingen. Die Stelle brachte viel Arbeit, finanziell aber wenig ein. Mannigfache Versuche, seinen Sorgen zu entgehen, schlugen fehl: Lotteriespiel, Gründung einer Verlagsanstalt, Auswanderung, Pacht eines Landgutes; ebenso gelang ihm nicht, eine andere Stelle zu erhalten. 

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Kurz nach der Heirat mit Dorette Leonhardt 1774 verliebte er sich in deren Schwester Auguste, die »Molly« seiner Gedichte. Nach zehn Ehejahren starb Dorette, im folgenden Jahr heiratete Bürger Auguste, diese starb aber schon nach siebenmonatiger Ehe.

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Mit Unterstützung u.a. durch Georg Christoph Lichtenberg wurde er 1784 Privatdozent an der Göttinger Universität, jedoch ohne Gehalt, wo er bis zu seinem Tode Vorlesungen und Übungen über Ästhetik, Stilistik, deutsche Sprache und Philosophie hielt. 1787 erhielt er die Ehrendoktorwürde, 1789 wurde er zum a. o. Professor ernannt, musste sich aber weiterhin unterordnen, da er keine feste Anstellung bekam. Seine unglückliche dritte Ehe wurde 1792 geschieden, gesellschaftlich isoliert starb er, 46 Jahre alt, an Schwindsucht.

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Bürger ist hauptsächlich wegen seiner 'Feldzüge und Abenteuer des Freiherrn von Münchhausen' (1786/1789) in Erinnerung. Seine berühmteste Dichtung blieb für lange Zeit die Ballade 'Lenore'

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Weitere Infos:     


Die Schatzgräber

Ein Winzer, der am Tode lag,
Rief seine Kinder an und sprach:
»In unserm Weinberg liegt ein Schatz,
Grabt nur darnach!« – »An welchem Platz?« –
Schrie alles laut den Vater an.
»Grabt nur!« – O weh! da starb der Mann.

Kaum war der Alte beigeschafft,
So grub man nach aus Leibeskraft.
Mit Hacke, Karst und Spaden ward
Der Weinberg um und um gescharrt.
Da war kein Kloß, der ruhig blieb;
Man warf die Erde gar durchs Sieb,
Und zog die Harken kreuz und quer
Nach jedem Steinchen hin und her.
Allein da ward kein Schatz verspürt
Und jeder hielt sich angeführt.

Doch kaum erschien das nächste Jahr,
So nahm man mit Erstaunen wahr,
Daß jede Rebe dreifach trug.
Da wurden erst die Söhne klug,
Und gruben nun Jahr ein Jahr aus
Des Schatzes immer mehr heraus.

Leonore.

Lenore fuhr um’s Morgenroth
Empor aus schweren Träumen:
„Bist untreu, Wilhelm oder todt?
Wie lange willst du säumen?“ –
Er war mit König Friedrich’s Macht
Gezogen in die Prager Schlacht,
Und hatte nicht geschrieben,
Ob er gesund geblieben.

Der König und die Kaiserinn,
10Des langen Haders müde,
Erweichten ihren harten Sinn,
Und machten endlich Friede;
Und jedes Heer, mit Sing und Sang,
Mit Paukenschlag und Kling und Klang,
Geschmückt mit grünen Reisern,
Zog heim zu seinen Häusern.

[Und überall all überall,
Auf Wegen und auf Stegen,
Zog Alt und Jung dem Jubelschall
Der Kommenden entgegen.
Gottlob! rief Kind und Gattinn laut,
Willkommen! manche frohe Braut.
Ach! aber für Lenore’n
War Gruß und Kuß verloren.

Sie frug den Zug wohl auf und ab,
Und frug nach allen Namen;
Doch keiner war, der Kundschaft gab,
Von Allen, so da kamen.
Als nun das Heer vorüber war,
Zerraufte sie ihr Rabenhaar,
Und warf sich hin zur Erde,
Mit wüthiger Geberde.

Die Mutter lief wohl hin zu ihr:  
„Ach, daß sich Gott erbarme!
Du trautes Kind, was ist mit dir?“  
Und schloß sie in die Arme.
„O Mutter, Mutter! hin ist hin!
Nun fahre Welt und Alles hin!
Bei Gott ist kein Erbarmen.
O weh, o weh mir Armen!“  

„Hilf Gott, hilf! Sieh uns gnädig an!
Kind, bet’ ein Vaterunser!
Was Gott thut, das ist wohl gethan.
Gott, Gott erbarmt sich unser!“  
„O Mutter, Mutter! Eitler Wahn!
Gott hat an mir nicht wohl gethan!
Was half, was half mein Beten?
Nun ist’s nicht mehr vonnöthen.“  

 „Hilf Gott, hilf! Wer den Vater kennt,
Der weiß, er hilft den Kindern.
Das hochgelobte Sakrament
Wird deinen Jammer lindern.“ –
„O Mutter, Mutter! was mich brennt,
Das lindert mir kein Sakrament!
Kein Sakrament mag Leben
Den Todten wiedergeben.“

„Hör’, Kind! wie, wenn der falsche Mann,
Im fernen Ungerlande,
Sich seines Glaubens abgethan,
Zum neuen Ehebande?
Laß fahren, Kind, sein Herz dahin!
Er hat es nimmermehr Gewinn!
Wann Seel’ und Leib sich trennen,
Wird ihn sein Meineid brennen.“ 

 „O Mutter, Mutter! Hin ist hin!
Verloren ist verloren!
Der Tod, der Tod ist mein Gewinn!
O wär ich nie geboren!
Lisch aus, mein Licht, auf ewig aus!
Stirb hin, stirb hin in Nacht und Graus!
Bei Gott ist kein Erbarmen.
O weh, o weh mir Armen!“ 

„Hilf Gott, hilf! Geh’ nicht in’s Gericht
Mit deinem armen Kinde!
Sie weiß nicht, was die Zunge spricht.
Behalt’ ihr nicht die Sünde!
Ach, Kind, vergiß dein irdisch Leid,
Und denk’ an Gott und Seligkeit!
So wird doch deiner Seelen
Der Bräutigam nicht fehlen.“ 

 „O Mutter! was ist Seligkeit?
O Mutter! Was ist Hölle?
Bei ihm, bei ihm ist Seligkeit,
Und ohne Wilhelm Hölle! –
Lisch aus, mein Licht, auf ewig aus!
Stirb hin, stirb hin in Nacht und Graus!
Ohn’ ihn mag ich auf Erden,
Mag dort nicht selig werden.“ 

So wüthete Verzweifelung
Ihr in Gehirn und Adern.
Sie fuhr mit Gottes Vorsehung
Vermessen fort zu hadern;
Zerschlug den Busen, und zerrang
Die Hand, bis Sonnenuntergang,
Bis auf am Himmelsbogen
Die goldnen Sterne zogen.

 Und außen, horch! ging’s trap trap trap,
Als wie von Rosseshufen;
Und klirrend stieg ein Ritter ab,
An des Geländers Stufen;
Und horch! und horch! den Pfortenring
Ganz lose, leise, klinglingling!
Dann kamen durch die Pforte
Vornehmlich diese Worte:

„Holla, Holla! Thu’ auf, mein Kind!
Schläfst, Liebchen, oder wachst du?
Wie bist noch gegen mich gesinnt?
Und weinest oder lachst du?
„Ach, Wilhelm, du? .. So spät bei Nacht? ..
Geweinet hab’ ich und gewacht;
Ach, großes Leid erlitten!
Wo kommst du her geritten?“ 

 „Wir satteln nur um Mitternacht.
Weit ritt ich her von Böhmen.
Ich habe spät mich aufgemacht,
Und will dich mit mir nehmen.“ 
"Ach, Wilhelm, erst herein geschwind’!
Den Hagedorn durchsaust der Wind,
Herein, in meinen Armen,
Herzliebster, zu erwarmen!“ 

„Laß sausen durch den Hagedorn,
Laß sausen, Kind, laß sausen!
Der Rappe scharrt; es klirrt der Sporn.
Ich darf allhier nicht hausen.
Komm, schürze, spring’ und schwinge dich
Auf meinen Rappen hinter mich!
Muß heut noch hundert Meilen
Mit dir in’s Brautbett eilen.“ 

 „Ach! wolltest hundert Meilen noch
Mich heut in’s Brautbett tragen?
Und horch! es brummt die Glocke noch,
Die elf schon angeschlagen.“  
„Sieh hin, sieh her! der Mond scheint hell.
Wir und die Todten reiten schnell.
Ich bringe dich, zur Wette,
Noch heut in’s Hochzeitbette.“

„Sag’ an, wo ist dein Kämmerlein?
Wo? wie dein Hochzeitbettchen?“  
„Weit, weit von hier! .. Still, kühl und klein! ..
Sechs Bretter und zwei Brettchen!“  
„Hat’s Raum für mich?“ – „Für dich und mich!
Komm, schürze, spring’ und schwinge dich!
Die Hochzeitgäste hoffen;
Die Kammer steht uns offen.“ 

Schön Liebchen schürzte, sprang und schwang
Sich auf das Roß behende;
Wohl um den trauten Reiter schlang
Sie ihre Lilienhände;
Und hurre hurre, hop hop hop!
Ging’s fort in sausendem Galopp,
Daß Roß und Reiter schnoben,
Und Kies und Funken stoben.

Zur rechten und zur linken Hand,
Vorbei vor ihren Blicken,
Wie flogen Anger, Heid’ und Land!
Wie donnerten die Brücken! –
„Graut Liebchen auch? .. Der Mond scheint hell!
Hurrah! die Todten reiten schnell!
Graut Liebchen auch vor Todten?“ 
„Ach nein! .. Doch laß die Todten!“ 

Was klang dort für Gesang und Klang?
Was flatterten die Raben? ..
Horch Glockenklang! horch Todtensang:
„Laßt uns den Leib begraben!“
Und näher zog ein Leichenzug,
Der Sarg und Todtenbahre trug.
Das Lied war zu vergleichen
Dem Unkenruf in Teichen.

„Nach Mitternacht begrabt den Leib,
Mit Klang und Sang und Klage!
Jetzt führ’ ich heim mein junges Weib.
Mit, mit zum Brautgelage!
Komm, Küster, hier! Komm mit dem Chor,
Und gurgle mir das Brautlied vor!
Komm, Pfaff’, und sprich den Segen,
Eh’ wir zu Bett uns legen!“ 
 
Still Klang und Sang. .. Die Bahre schwand. 
Gehorsam seinem Rufen,
Kam’s, hurre hurre! nachgerannt,
Hart hinter’s Rappen Hufen.
Und immer weiter, hop hop hop!
Ging’s fort in sausendem Galopp,
Daß Roß und Reiter schnoben,
Und Kies und Funken stoben.

Wie flogen rechts, wie flogen links
Gebirge, Bäum’ und Hecken!
Wie flogen links, und rechts, und links
Die Dörfer, Städt’ und Flecken! –
„Graut Liebchen auch? .. Der Mond scheint hell!
Hurrah! die Todten reiten schnell!
Graut Liebchen auch vor Todten?“ 
„Ach! Laß sie ruhn, die Todten.“ 

Sieh da! sieh da! Am Hochgericht
Tanzt’ um des Rades Spindel,
Halb sichtbarlich bei Mondenlicht,
Ein luftiges Gesindel. –
„Sasa! Gesindel, hier! Komm hier!
Gesindel, komm und folge mir!
Tanz’ uns den Hochzeitreigen,
Wann wir zu Bette steigen!“ 

Und das Gesindel, husch husch husch!
Kam hinten nachgeprasselt,
Wie Wirbelwind am Haselbusch
Durch dürre Blätter rasselt.
Und weiter, weiter, hop hop hop!
Ging’s fort in sausendem Galopp,
Daß Roß und Reiter schnoben,
Und Kies und Funken stoben.

 Wie flog, was rund der Mond beschien,
Wie flog es in die Ferne!
Wie flogen oben über hin
Der Himmel und die Sterne! –
„Graut Liebchen auch? .. Der Mond scheint hell!
Hurrah! die Todten reiten schnell!
Graut Liebchen auch vor Todten!“
„O weh! Laß ruhn die Todten!“ 

„Rapp’! Rapp’! Mich dünkt der Hahn schon ruft. ..
Bald wird der Sand verrinnen ..
Rapp’! Rapp’! Ich wittre Morgenluft ..
Rapp’! Tummle dich von hinnen! –
Vollbracht, vollbracht ist unser Lauf!
Das Hochzeitbette thut sich auf.
Die Todten reiten schnelle!
Wir sind, wir sind zur Stelle.“ 

 Rasch auf ein eisern Gitternthor
Ging’s mit verhängtem Zügel.
Mit schwanker Gert’ ein Schlag davor
Zersprengte Schloß und Riegel.
Die Flügel flogen klirrend auf,
Und über Gräber ging der Lauf.
Es blinkten Leichensteine
Rund um im Mondenscheine.

Ha sieh! Ha sieh! im Augenblick,
Huhu, ein gräßlich Wunder!
Des Reiters Koller, Stück für Stück,
Fiel ab, wie mürber Zunder.
Zum Schädel, ohne Zopf und Schopf,
Zum nackten Schädel ward sein Kopf;
Sein Körper zum Gerippe,     
     Mit Stundenglas und Hippe.

Hoch bäumte sich, wild schnob der Rapp’,
Und sprühte Feuerfunken;
Und hui! war’s unter ihr hinab
Verschwunden und versunken.
Geheul! Geheul aus hoher Luft,
Gewinsel kam aus tiefer Gruft.
Lenore’ns Herz, mit Beben,
Rang zwischen Tod und Leben.

Nun tanzten wohl bei Mondenglanz,
Rund um herum im Kreise,
Die Geister einen Kettentanz,
Und heulten diese Weise:
„Geduld! Geduld! Wenn’s Herz auch bricht!
Mit Gott im Himmel hadre nicht!    
Des Leibes bist du ledig;
Gott sey der Seele gnädig!“

Zitate

Die Geschichte der Menschheit ist voll von Beweisen, daß es nicht schwer ist, eine Wahrheit umzubringen. Eine gute Lüge ist unsterblich.

Viel' Klagen hör' ich oft erheben
Vom Hochmut, den der Große übt;
Der Großen Hochmut wird sich geben,
Wenn uns're Kriecherei sich gibt.

Der Mann, der das Wenn und Aber erdacht,
hätt' sicher aus Häcksel Gold schon gemacht.

Die schlechtesten Früchte sind es nicht, woran die Wespen nagen.

Was Hänschen versäumet, holt Hans nicht mehr ein.
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