Sonntag, 2. Februar 2013
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Preußisches Einladungspatent für die Salzburger
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Am 2. Februar 1732

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erließ der preußische König Friedrich Wilhelm I. das Patent  zur Aufnahme der aus dem Erzbistum Salzburg ausgewiesenen Evangelischen. Sie sollten bei der Wiederbesiedlung des Kronlandes in Ostpreußen helfen, das 1708/09 von der Pest entvölkert worden war. 
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Vorgeschichte: Das Erzbistum Salzburg war vom Hochmittelalter (14. Jahrhundert) bis 1802/03 ein Fürstentum des Heiligen Römischen Reichs. Schon um 1528 waren Luthers Thesen auch nach Salzburg gekommen und hatten auch dort für Aufregung unter den Gläubigen und der kirchlichen Obrigkeit gesorgt. Der damalige Fürstbischof Matthäus Lang von Wellenberg zeigte jedoch Verständnis und schritt erst ein, als der Dichter und Gelehrte Paulus Speratus direkt in der Stadt Salzburg öffentlich Luthers Lehre verkündet. Er wurde des Landes verwiesen, aber die Saat der Reformation war bereits aufgegangen. Als weitere Gegenmaßnahme wurde der Pfarrer Georg Scherer im April 1528 durch Enthauptung hingerichtet, seine Leiche anschließend verbrannt. Andere Priester evangelischen Glaubens wurden ebenfalls eingesperrt oder des Landes verwiesen. Aber dies nützte wenig. Das freiheitsliebende Bergvolk im Salzburger Land wollte von der neuen Lehre nicht mehr lassen. Als Erzbischof Matthäus Lang starb, versuchten seine Nachfolger einen Weg der Versöhnung einzuschlagen und unterließen es deshalb, die Protestanten weiter zu verfolgen. 
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Erst als der Jesuitenschüler Max Gandolf von Kuenburg 1668 Salzburger Fürstbischofs wurde, wurde die Gegenreformation wieder konsequent fortgesetzt. Als Kunde aus dem Ort Dürrnberg und dem Deferegger Tal nach Salzburg kam, dass die dort eingesetzten katholischen Priester verhöhnt wurden und das Volk sich weigerte, an katholischen Messen teilzunehmen, reagierte der Fürstbischof. Bisher hatte man auf die im nahen Salzbergbau beschäftigten Männer Rücksicht genommen, denn ihre Arbeit war lebenswichtig für die Finanzen des Staates. Man ließ die Anführer verhaften und nach Salzburg bringen. Trotz Folter schworen die Männer der neuen Lehre nicht ab. Die Deferegger und Dürrnberger wurden 1686 des Landes verwiesen . Ihre Frauen durften sie mitnehmen, ihre Kinder wurden katholischen Pflegeeltern übergegeben.

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1727 übernahm in Salzburg Erzbischof Leopold Anton Freiherr von Firmian die Regierung. Die Kirche in Rom verlangte ein härteres Vorgehen. Die lokalen Rädelsführer wurden verhaftet und gefoltert. 1729 versuchte Firmian, die Salzburger Protestanten durch jesuitische Missionare zu bekehren und schritt, als sie sich weigerten, zu Gewaltmaßregeln: Er rief 6.000 österreichische Soldaten ins Land. Um die Lutheraner endgültig loszuwerden, unterschrieb der Erzbischof im August 1731 ein sogenanntes Emigrationspatent und verfügte die Ausweisung der Protestanten aus dem Salzburger Land. 
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Die Emigration: Im Spätherbst und Winter 1731/32 wurden zuerst 4.000–5.000 Mägde und Knechte des Landes verwiesen. Sie wurden ohne Vorwarnung gefangengenommen und außer Landes gebracht. Ihre Verteilung in den protestantischen Gegenden Süddeutschlands bereitete erhebliche Probleme. Handwerker und Bauern hatten bis zu 3 Monate Zeit. Nach Ablauf dieser Frist sollten bei Bedarf Soldaten die Menschen aus ihren Unterkünften holen und mit Gewalt über die Grenze bringen. Als besonderer Akt der Gnade galt dabei, dass sie ihre Kinder mitnehmen durften. Inzwischen hatte sich König Friedrich Wilhelm I. von Preußen bereit erklärt, die Salzburger Flüchtlinge in seinem Staat aufzunehmen und erließ am 2. Februar 1732 s ein Einwanderungspatent. Er schickte Kommissare (Lokatoren) los, die den Transport und die Reise der Salzburger betreuen sollten. 

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Vom April 1732 an verließ ein Wanderzug nach dem anderen das Erzstift. Der letzte von insgesamt sechzehn überschritt am 6. August 1732 die Landesgrenze. Die meisten der Emigranten hatten in der kurzen Zeit keine Käufer für ihre Güter finden können. Niemand hatte damit gerechnet, dass so viele Menschen auswandern würden. 1.776 Bauerngüter blieben leer zurück.
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Auch der König von Preußen hatte nicht geahnt, dass die Zahl seiner neuen Untertanen so groß sein würde. Als mehr als 6.000 Salzburger den Weg nach Preußen angetreten hatten, gab die Berliner Regierung zunächst den Befehl, niemanden mehr im Lande aufzunehmen. Bisher hatten jedoch noch mehr als die doppelte Anzahl die Grenze noch nicht überschritten. Als Friedrich Wilhelm hörte, wie viele Salzburger noch zu erwarten seien, widerrief er den Befehl und erklärte sich bereit, so viele Salzburger als nur möglich aufzunehmen.
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Die Flüchtlinge erhielten Zehrgelder, 4 Groschen pro Tag für den Mann, 3 für die Frau und 2 für jedes Kind. Vom Tag der Antragstellung an sollten sie als preußische Staatsbürger respektiert werden. Die Emigranten zogen über Brandenburg nach Ostpreußen. Am 30.April 1732 kamen die ersten 843 Salzburger in Ostpreußen an. Von Stettin aus traf am 28. Mai 1732 das erste von insgesamt 66 Schiffen in Königsberg ein. Der erste von 11 Landtransporten kam am 6. August 1732, der letzte am 8. November 1733 nach Königsberg. 5.500 Salzburger kamen mit 780 Wagen auf dem Landweg nach Ostpreußen. Etwa 5 % starben unterwegs. Insgesamt handelte es sich um 17.000 Immigranten. Die meisten Salzburger wurden im Raum Gumbinnen angesiedelt. 

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Mittellose Bauern erhielten hier eine Hufe. Handwerker konnten ihrem Gewerbe in den Städten nachgehen. In Ostpreußen angekommen, erhielt über die Hälfte der Asylanten eine Existenzgrundlage auf Kosten des Staates. Ackerland, Bauland, Bauholz, Vieh, Ackergeräte, Saatgut wurden gestellt, dazu kamen drei Jahre Abgabenfreiheit, großzügige Kredite, Zuschüsse zu den Baukosten und langfristige Befreiung vom Militärdienst. Preußen galt nun als Schutzmacht aller Protestanten.

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Nach zwei Jahren war die Ansiedlung in Ostpreußen beendet. Zwar waren die Salzburger nicht, wie sie gehofft hatten, geschlossen angesiedelt worden, sondern über das ganze Land verstreut. Aber sie hatten nun doch endlich wieder festen Boden unter den Füßen und konnten unangefochten evangelische Christen sein. So wurde ihnen die Fremde bald zur Heimat, und durch Fleiß brachten es die meisten von ihnen zu bescheidenem Wohlstand.

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Erst 1740 und auf mehrmaliges Betreiben des preußischen Königs Friedrich Wilhelms I. hin wurden die Emigranten für den Verlust der Höfe, die wegen der vielen zugleich auf dem Markt vorhandenen Güter weit unter Preis verkauft werden mussten, teilweise entschädigt. Friedrich Wilhelms schickte einen Abgesandten ins Erzstift Salzburg, der den Verkauf der noch immer brachliegenden Güter der Emigranten betreiben sollte. Der Erlös wurde an die früheren Besitzer ausgezahlt. Da viele von ihnen nicht mehr am Leben waren, wurde der frei gewordene Betrag zur Errichtung eines Heimes für alte und pflegebedürftige Personen Salzburger Abstammung in Gumbinnen verwendet. Durch diese "Salzburger Anstalt" wurde die Stadt Gumbinnen zum Mittelpunkt der Salzburger in Ostpreußen. Dadurch blieb die Verbindung unter den Emigranten und unter ihren Nachkommen bis zum Ende des zweiten Weltkrieges erhalten.

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Eine Gruppe ließ der Salzburger Fürstbischof jedoch nicht aus dem Land: Die bereits seit Jahren aufsässigen Bergleute im nahen Salzbergbau wurden dringend benötigt. Diese Einnahmequelle wollte man nicht gefährden. Die Bergleute vom Dürrnberg verweigerten jedoch weiterhin sämtliche katholischen Bekehrungsversuche. Die Herrschaft ließ in der Zwischenzeit Ersatz für die Bergknappen herbeischaffen. Mittlerweile hatten sich die Niederlande bereit erklärt, die Dürrnberger und Berchtesgadener Bergleute aufzunehmen. Im November 1732, nach einer beschwerlichen Reise mitten im Winter entlang des Rheins, erreichte die Gruppe im März 1733 die Niederlande. Eine Fieberepidemie raffte 100 der 780 Emigranten dahin. Schließlich blieben nur 42 Familien mit insgesamt 216 Personen im Lande. Die anderen wanderten in die USA aus oder siedelten sich in Franken an.   
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Insgesamt verließen über 30.000 Personen das Land Salzburg. Einige Namen ostpreußischer Familien aus Salzburg: Brandstädter, Brindlinger, Degner, Höfert, Hohenegger, Höll, Holle, Höllensteiner, Höllgruber, Hölzel, Holzinger, Holzlehner, Holzmann, Hopfgärtner, Hörl, Hoyer, Hubensatter, Huber, Leidreiter, Meyhöfer, Miegel , Milthaler, Moderegger, Niederländer, Pfundtner, Scharffetter, Schindelmeiser, Schlegelberger, Schweinberger, Sinnhuber, Steinbacher, Turner u. a.
 
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Weitere Infos:    

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Königlich=Preußisches Patent

die An= und Aufnahm derer aus dem Ertz=Stift Saltzburg emigrirenden Evangelischen Glaubens=Genossen

in Ihro Königl. Majestät Lande betreffend;

De dato Berlin

den 2. Febr. 1732

Wir Friederich Wilhelm

von GOttes Gnaden
König in Preussen
Marggraf zu Brandenburg
des Heiligen Römischen Reichs Ertz=Cammerer und Churfürst; Souverainer Printz von Oranien
Neufchatel und Valengin, in Geldern
zu Magdeburg
Cleve
Jülich
Berge
Stettin
Pommern
der Cassuben und Wenden
zu Mecklenburg
auch in Schlesien zu Crossen Hertzog; Burggraf zu Nürnberg
Fürst zu Halberstadt
Minden
Camin
Wenden Schwerin
Ratzeburg und Meürs; Graf zu Hohenzollern
Ruppin
der Marck
Revensberg
Hohenstein
Tecklenburg
Lingen
Schwerin
Bühren und Leerdam
Marquis zu der Vehre und Vlißlingen
Herr zu Ravenstein
der Lande Rostock
Stargard
Lauenburg
Bütau
Arley und Reda etc.


Thun kund und fügen hiemit zu wissen, daß Wir aus Christ=Königl.
Erbarmen und hertzlichem Mitleiden gegen Unsere in dem Ertz=Bi=
schoffthum Saltzburg auf das hefftigste bedrängte und verfolgte Evangeli=
sche Glaubens=Verwandte, da dieselbe bloß und allein um ihres Glaubens
Willen, und weilen Sie demselben wider besseres Wissen und Gewissen
abzusagen sich nicht entschliessen können noch wollen, Ihr Vaterland zu
verlassen gezwungen werden, Ihnen die hülffliche und mildreiche Hand zu
bieten, und zu solchem Ende Dieselbe in Unsere Lande aufzunehmen,
und in gewissen Aemtern Unsers Königreichs Preussen, unterzubringen
und zu versorgen Uns resolviret haben.

Weßhalb dann auch nicht nur an des Herrn Ertz=Bischoffs zu Saltz=
burg Lbdn. durch die von Unserm zu Regensburg subsistirenden Gesandten
Dero dortigen Comitial - Ministro gethane diensame Vorstellung, Unser
freundliches Suchen ergangen, daß diesen Dero emigrirenden Unterthanen,
welche Wir, so viel deren nach Unserm Landen sich zu begeben gewillet und
Vorhabens sind, als Unsere nechst künfftige Unterthanen considieriren und
ansehen, zu einem sowohl ungehindert = als ungedrungenen Abzug die Päs=
se frey geöffnet, auch Ihrer Haabseeligkeiten wegen, Reichs=Constitutions=
mäßig verfahren werden möge, als welches Wir Unseren Unterthanen Rö=
misch=Catholischer Religion hinwiederum ersprießlich angedeyhen zu lassen
geneigt sind; Sondern Wir ersuchen auch alle Churfürsten, Fürsten und
Stände des Reichs, deren Lande durch besagte Emigranten werden berüh=
ret werden müssen, Dieselbe frey, sicher und ohnaufgehalten passiren, Ih=
nen auch zu Fortsetzung Ihrer mühseeligen Reise dasjenige, was ein Christ
dem andern schuldig, erweisen zu lassen, geruhen; Gestalt Wir solches bey
allen sich dazu findenden Gelegenheit danckbarlich zu erwiedern willig
und bereit sind; Übrigens aber offterwehnten nach Unseren Landen ge=
henden Saltzburger Emigranten hierdurch die gnädigste Versicherung er=
theilen, daß Denselben zu Regensburg, wie auch folgends in Unserer
Stadt Halle, und so Weiter durch Unseren zu Ihrer Führung abgeord=
neten Commissarium, die ordinaire Diäten gleich anderen, nach Unseren
Preußischen Landen vorhin abgegangenen Colonisten, nemlich vor einen
Mann täglich hiesigen Geldes Vier Groschen (oder Funffzehn Kreutzer)
vor eine Frau oder Magd Drey Groschen, (oder Eilff Kreutzer, einen Pfen=
ning) und vor ein Kind Zwey Groschen, (oder Sieben und ein halben
Kreutzer) gereichet, Ihnen auch bey Ihrer Etablirung in Preussen, alle die=
jenige Freyheiten, Privilegia, Rechte und Gerechtigkeiten, welche anderen
Colonisten daselbst competiren und zustehen, ebenfalls zu gute kommen
sollen.

Daferne auch wieder alles bessere Erwarten Sie an dem Abzuge
verhindert, oder auch, daß Sie an Ihrem hinterlassenen Vermögen ver=
kürtzet oder beeinträchtiget, und des vollständigen Genusses derer Frie=
dens=Schluß mäßigen Beneficiorum widerrechtlich priviret werden wolten;
So wollen Wir solches nicht anders, als wann es Unseren angebohrnen
Unterthanen wiederfahren wäre, achten und halten, und Sie deßfalls
durch die dazu überflüig in Händen habende Mittel und Wege Schad=
und Klag=loß stellen, in der gesicherten Hoffnung, es werden alle Evan=
gelische Puissancen, wo nicht bereits ein gleiches darunter resolviert haben,
dennoch Unserem Exempel folgen, und Uns allenfalls in dieser Sache
mit allem behörigen Ernst und Nachdruck, wenn es dessen bedürfen sol=
te, assistiren und beystehen.

Des zu urkund haben Wir diesen offenen Brief eigenhändig vollzo=
gen, und mit Unserem Königlichen Insiegel bestärcket, denselben auch zum
Druck zu befördern, und die gedruckte Exemplaria überall, wo es nöthig,
insonderheit aber offt bemeldten Emigranten zu ihrem Schutz und Conso=
lation auch Versicherung, zu distribuiren und auszutheilen befohlen. Ber=
lin den 2. Febrauar. 1732

Friederich Wilhelm


(L.S.)

H. v. Podevvils.

Thulemeier

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