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Dienstag, 6. Mai 2014

Christian Morgenstern  

* 6. Mai 1871 in München
† 31. März 1914 in Meran


Deutscher Dichter.

 

Vater wie Mutter entstammen Malerfamilien, der Vater war Landschaftsmaler, der ein unruhiges Wanderleben führte. Die Familie wohnte zwar in München, die Sommermonate wurden aber regelmäßig in oberbayerischen Gebirgsorten verbracht. 1881 starb seine Mutter an einem Lungenleiden, das er von ihr erben sollte. 

Nach dem Tod der Mutter schickte ihn der Vater zu seinem Patenonkel nach Hamburg, später in ein Internat in Landshut. 1882 verheiratete sich der Vater erneut, 1883 wurde er als Professor an die Königliche Kunstschule in Breslau berufen, wohin 1884 Morgenstern nachfolgte. Von 1885 bis 1889 besuchte Morgenstern das Maria-Magdalena-Gymnasium in Breslau. 1892 absolvierte er schließlich die Abschlussprüfung am Gymnasium in Sorau und nahm im gleichen Jahr in Breslau das Studium der Nationalökonomie auf.

Zu schreiben hatte er längst begonnen - kleinere Satiren, scherzhafte Verse, Gedichte. Das Studium beendete er nicht. Während seines Aufenthaltes in München im Sommersemester 1893 erkrankte Morgenstern schwer; im schlesischen Bad Reinerz
schloss sich eine lange Erholungszeit an. Der Vater, der ein drittes Mal geheiratet hatte, wollte die Kosten für das Studium nicht mehr übernehmen. Morgenstern war zu dieser Zeit bereits in Berlin, wo er ständiger Mitarbeiter an der 'Täglichen Rundschau' und der 'Freien Bühne' wurde. Einen Einschnitt stellten die Jahre 1897 bis 1903 dar, denn der S. Fischer Verlag beauftragte Morgenstern, die Gedichte und Versdramen Henrik Ibsens zu übersetzen. Bei einer Reise nach Kristiania (Oslo) lernte er den Dichter selbst kennen, der sich später von Morgensterns Arbeiten beeindruckt zeigte.

 

Im September 1900 wurde ein bis ins Frühjahr 1901 dauernder Kuraufenthalt im Schweizer Davos nötig. Während dieser Zeit wurden zum ersten Mal die 'Galgenlieder' erwähnt. Von Davos aus reiste Morgenstern nach Italien, um im Mai 1903 wieder nach Berlin zurückzukehren, wo Bruno Cassirer ihm eine Lektorstelle angeboten hatte. Im Sommer 1905 erschienen bei Cassirer die Galgenlieder, die ein sofortiger Erfolg wurden. 1910 kam 'Palmström' hinzu. Auch 1905 musste Morgenstern seiner Krankheit Tribut zollen. 

Im Sommer 1908 lernte Morgenstern Margareta Gosebruch von Liechtenstern kennen. Bereits im Oktober folgte die Verlobung. Durch Margareta lernte Morgenstern die Anthroposophie Rudolf Steiners
kennen und trat 1909 als Mitglied der Anthroposophischen Gesellschaft bei. 1910 erfolgte die Heirat mit Margareta. Im Frühjahr 1911 reiste er nach Rom, wo er im Deutschen Krankenhaus behandelt wurde. Es folgten Sanatoriumsaufenthalte in Arosa und Davos. Im Oktober 1912 traf er mit Steiner zusammen und erlebte eine Lesung seiner Werke. So hoffnungslos war sein Zustand 1914, dass ein Sanatorium Morgensterns Aufnahme verweigerte. In Meran-Untermais fand sich schließlich eine Privatwohnung, in der Morgenstern starb.

 

Nach dem Tod Morgensterns gab seine Witwe zahlreiche seiner Werke heraus, die sie teilweise neu ordnete und mit bisher unveröffentlichten Teilen des Nachlasses ergänzte (nur etwa die Hälfte seines Werks war zu Lebzeiten Morgensterns veröffentlicht worden). Seine sogenannte ernste Dichtung fand nie die Resonanz, die sich Morgenstern stets erhofft hatte. Einem größeren Leserkreis bekannt wurde Morgenstern praktisch nur mit seiner humoristischen Dichtung.. 

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Weitere Infos:  


Der Melderbaum, Sorau 1891

Was ist das? Seht, der ferne Waldessaum
erglänzt in hellem Feuerschein - der Rauch
in dichten Wolken steigt gerötet auf
und trübt der Sterne Klarheit - rast ein Brand
verheerend durch des Waldes heil'ge Stille?
Brach aus der Erde Schoß ein Flammenmeer?

Die ihr so fragt, kennt ihr den alten Brauch,
der schon seit hundert Jahren hier besteht,
kennt ihr des Schülerbergfests Feier nicht?
Kennt nicht des Fackelzuges alte Sitte,
der sich vom Walde aus nach jenem Hügel,
dem Schülerberge, wälzt, wo hoch aufragt
des Forstes schönster Baum, dazu erlesen,
als stolze Riesenfackel aufzulodern,
als wie ein Opfer für den Gott der Freude.

Und näher, näher durch die dunkle Landschaft
wie eine Feuerschlange rollt sich's auf;
schon hört man Stimmenbrausen, Sangesjubel,
schon jener Marschesweisen stolze Klänge,
bei denen Deutschland zog von Sieg zu Sieg.
Da - da - die Erde hallt von ihrem Schritt -
da braust heran die erste rasche Schar:
Stillstand! Ein jeder fasst der Fackel Heft,
und weit zurückgebeugt zu kühnem Wurf
entsendet er das züngelnde Geschoss,
das weithin durch den dunklen Himmel fliegend.
zur Erde wieder kreist im Bogen, oder
noch im Geäst der Fichte haften bleibt,
mit Flammenkuss des Stammes Gipfel grüßend.

Und immer neue Scharen strömen zu,
und immer neue Brände sausen
empor. - Ein Anblick, eigenartig schön.
Wie eine große Flammengarbe starrt
der Riesenbaum ins dunkle Äthermeer.
Er ächzt und stöhnt und prasselt, heulend fährt
der Nachtwind um den ungewohnten Gast
und wälzt des Rauches schwere Wolkenmassen
hinaus ins nächtige Gefild. Es stieben
die Funken nieder auf das junge Volk,
das sich im Kreis zu frohem Staunen schart.
gerötet jedes Antlitz von der Freude
und von der Gluten hellem Widerschein.

Da senken sich die Fahnen - - - feierlich
geheimnisvoll durchschauert's jede Brust - -
es senken sich die Fahnen, es erbraust
aus tiefstem Herzen in gewaltigem Chor
das hohe Lied der Deutschen. Andachtsvoll
hallt es zum Himmel auf wie ein Gebet.
O unvergesslich schöner Augenblick!

Ich stand als wie im Traume; um mich her
erklangen unsres Volkes hehre Weisen,
und wie die Herzen suchten sich die Hände.
Ringsum lag Feld und Wald in tiefem Schweigen,
und über alles spannte sich das dunkle,
das sterndurchwobne, unermessne Weltall;
da fühlt' ich übermächtig mich ergriffen,
feucht ward mein Auge: O, mein Vaterland,
solang noch solche Herzen treu dir schlagen,
betritt kein Feind die heil'ge Scholle dein!
Schau uns, wie zu gewaltig großem Schwur
wir uns vereint in dieser ernsten Stunde:
Der Fichtenstamm, der dort gen Himmel leuchtet,
zu dessen Brand ein jeder mitgewirkt,
er ist das stolze Sinnbild jener Gluten,
die tief in unsern jungen Herzen schlummern.
Sei in Gefahr, mein Land, lass Feinde dröhn,
und unaufhaltsam, sehnsuchtsvoll, allmächtig,
wird jener Herzensbrand zusammen schlagen,
wie dieser Riesenfackel wehnde Glut.

Ich fuhr empor. - Die Freunde waren fort,
rasch wandte ich den Schritt; doch oftmals noch
sah ich nach jenem Baum zurück, der langsam
verlosch, gepackt von Sturm und Nebelschauern,
bis ganz ihn wieder schwarze Nacht umfloss.
Und oftmals werd' ich seiner noch gedenken,
wenn mich des Lebens wilder Sturm umrauscht;
dann wie ein Traum aus froher Jugend Zeiten
wird jenes Bild an mir vorübergleiten. 


Der Lattenzaun


Es war einmal ein Lattenzaun,
mit Zwischenraum, hindurchzuschaun.

Ein Architekt, der dieses sah,
stand eines Abends plötzlich da -

und nahm den Zwischenraum heraus
und baute draus ein großes Haus.

Der Zaun indessen stand ganz dumm
mit Latten ohne was herum,

ein Anblick gräßlich und gemein.
Drum zog ihn der Senat auch ein.

Der Architekt jedoch entfloh
nach Afri - od - Ameriko.

Die unmögliche Tatsache

Palmström, etwas schon an Jahren,
wird an einer Straßenbeuge
und von einem Kraftfahrzeuge
überfahren.

"Wie war" (spricht er, sich erhebend
und entschlossen weiterlebend)
"möglich, wie dies Unglück, ja - :
dass es überhaupt geschah?

Ist die Staatskunst anzuklagen
in bezug auf Kraftfahrwagen?
Gab die Polizeivorschrift
hier dem Fahrer freie Trift?

Oder war vielmehr verboten,
hier Lebendige zu Toten
umzuwandeln, - kurz und schlicht:
Durfte hier der Kutscher nicht -?"

Eingehüllt in feuchte Tücher,
prüft er die Gesetzesbücher
und ist alsobald im Klaren:
Wagen durften dort nicht fahren!

Und er kommt zu dem Ergebnis:
Nur ein Traum war das Erlebnis.
Weil, so schließt er messerscharf,
nicht sein kann, was nicht sein darf. 

Die Behörde

Korf erhält vom Polizeibüro
ein geharnischt Formular,
wer er sei und wie und wo,

welchen Orts er bis anheute war,
welchen Stands und überhaupt,
wo geboren, Tag und Jahr.

Ob ihm überhaupt erlaubt,
hier zu leben und zu welchem Zweck,
wieviel Geld er hat und was er glaubt.

Umgekehrten Falls man ihn vom Fleck
in Arrest verführen würde, und
drunter steht: Borowsky, Heck.

Korf erwidert darauf kurz und rund:
»Einer hohen Direktion
stellt sich, laut persönlichem Befund,

untig angefertigte Person
als nichtexistent im Eigen-Sinn
bürgerlicher Konvention

vor und aus und zeichnet, wennschonhin
mitbedauernd nebigen Betreff,
Korf. (An die Bezirksbehörde in - ).«

Staunend liest′s der anbetroffne Chef.

Der Schnupfen

Ein Schnupfen hockt auf der Terrasse,
auf daß er sich ein Opfer fasse

- und stürzt alsbald mit großem Grimm
auf einen Menschen namens Schrimm.

Paul Schrimm erwidert prompt: "Pitschü!"
und hat ihn drauf bis Montag früh.

ABCD

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