Donnerstag, 7. August 2014

Joachim Ringelnatz  

* 7. August 1883 in Wurzen
† 17. November 1934 in Berlin

ABCD

Deutscher Schriftsteller, Kabarettist und Maler.

 

Als Hans Bötticher wurde Joachim Ringelnatz im sächsischen Wurzen als jüngstes von drei Geschwistern  geboren. Sein Vater war als Tapetenentwerfer und Jugendschriftsteller tätig und gab mehrere Jahre »Auerbachs Deutschen Kinderkalender« heraus . Der Vater korrespondierte mit Emanuel Geibel , Gustav Freytag , Conrad Ferdinand Meyer , Wilhelm Raabe , Adolph von Menzel und Theodor Fontane

 

Die Schulzeit war schwer für Ringelnatz: Er wurde von den Mitschülern für sein seltsames Aussehen (mädchenhafte Frisur, ungewöhnlich lange Vogelnase, vordrängendes Kinn, kleine Statur) gehänselt. Aus Trotz fiel der lebhafte Ringelnatz häufig negativ auf, so dass er vom Königlichen Staatsgymnasium in Leipzig verwiesen wurde. Anschließend besuchte er eine Privatschule, die er nach der Obersekunda mit der Berechtigung zum einjährigen freiwilligen Militärdienst verließ. Auf dem Abgangszeugnis des zweimaligen Sitzenbleibers vermerkte ein Lehrer, der Absolvent sei ein Schulrüpel ersten Ranges gewesen.

Ohne das Wissen seiner Eltern heuerte Ringelnatz als Schiffsjunge an. Bis 1905 diente er als Matrose und als Freiwilliger bei der Marine auf verschiedenen Segel- und Dampfschiffen. Zwischen und nach seinen Aufenthalten auf See hielt sich Ringelnatz mit verschiedenen Tätigkeiten über Wasser. So absolvierte er in Hamburg eine kaufmännische Lehre, wurde in England Hausmeister einer Pension, arbeitete als Lehrling in einer Dachpappenfabrik und fand eine Anstellung in einem Münchner Reisebüro.

In München wohnhaft, entdeckte Ringelnatz dort das Künstlerlokal »Simplicissimus«
. Hier konnte er erstmals seine Gedichte vortragen und fand damit allgemeine Anerkennung. Prominente Gäste wie Wedekind ermunterten ihn zu eigenen Publikationen. Daneben schlug er sich weiter mit Gelegenheitsarbeiten durch, unter anderem als Tabakhändler, Fremdenführer, Bibliothekar und Schaufensterdekorateur.

In seinem Buch »Was ein Schiffsjungen-Tagebuch erzählt« erinnerte sich Ringelnatz 1911 an seine Zeit auf See. 1912 fand Ringelnatz Anstellung als Privatbibliothekar beim Grafen Heinrich Yorck von Wartenburg
auf Schloss Klein-Öls, wo er vor allem den Nachlass Wilhelm Diltheys ordnete und in seiner Freizeit mit den Kindern des Grafen spielte. Im folgenden Jahr arbeitete er erneut als Bibliothekar, diesmal beim Kammerherrn Börries Freiherr von Münchhausen-Moringen in Hannover. 1912 erschien das Bändchen »Die Schnupftabakdose. Stumpfsinn in Versen und Bildern von Hans Bötticher und Richard Seewald«. 1913 wurde »Ein jeder lebt's. Novellen von Hans Bötticher« ein beachtlicher Erfolg. Nahezu euphorisch zog Ringelnatz 1914 mit der Marine in den Krieg. Ab 1917 war Ringelnatz Leutnant zur See und Kommandant eines Minensuchbootes in Seeheim bei Cuxhaven. 

Nach dem Krieg war Ringelnatz zunächst arbeitslos, zudem erblindete er durch die Spätfolgen einer Schlägerei auf einem Auge. Er fand dann jedoch eine Stelle als Archivar im Scherl-Verlag
in Berlin. Ab 1919 nannte er sich nun Joachim Ringelnatz, nach dem seemännischen Wort für Seepferdchen. 1920 heiratete Ringelnatz eine fünfzehn Jahre jüngere Lehrerin. Seine Frau wurde ihm zur unentbehrlichen Assistentin bei seinen Publikationen. Die beiden zogen als Schwarzmieter in eine Münchner Wohnung. Zehn Jahre wohnten sie dort bis zu ihrem Umzug nach Berlin im Februar 1930. 

 

1920 wurde Ringelnatz an die Kleinkunstbühne »Schall und Rauch« in Berlin engagiert. Hier und auf Kabarett-Tourneen durch ganz Deutschland rezitierte er seine Gedichte. Im gleichen Jahr veröffentlichte Ringelnatz seinen »Kuttel Daddeldu oder Das schlüpfrige Leid« sowie die »Turngedichte«. Später widmete er sich intensiv der Malerei, vor allem der in Aquarell- und Deckfarben. 1923 hatte er seine erste erfolgreiche Auktion. Weitere Ausstellungen im In- und Ausland folgten. 1925 wurden die Bilder des Autodidakten auf der Ausstellung der Akademie der Künste ausgestellt, zwei Gemälde wurden verkauft.

1933 wurde Ringelnatz ein Auftrittsverbot erteilt, die meisten seiner Bücher wurden beschlagnahmt, so dass er seine Existenzgrundlage verlor. Ringelnatz und seine Frau verarmten rasch, da die Bühnenauftritte die Haupteinnahmequelle des Paares gewesen waren. Erste Symptome der Tuberkulose traten auf. Ein letztes glückliches Ereignis war die Feier zu seinem 50. Geburtstag, auf der seine langjährigen Freunde Asta Nielsen
und Paul Wegener und sein Verleger Ernst Rowohlt Reden hielten.

1934 konnte Ringelnatz noch Gastspiele in Basel und Zürich absolvieren, dann brach die Krankheit endgültig aus. Freunde halfen dem nun fast völlig mittellosen Paar durch öffentliche Aufrufe und private Spendenaktionen, die Sanatoriumsaufenthalte zu bezahlen. Ein Jahr später erlag Ringelnatz in Berlin seiner Lungenkrankheit.

 

Weitere Infos:     


Die Ameisen
In Hamburg lebten zwei Ameisen,
Die wollten nach Australien reisen.
Bei Altona auf der Chaussee
Da taten ihnen die Beine weh,
Und da verzichteten sie weise
Dann auf den letzten Rest der Reise.
So will man oft und kann doch nicht
Und leistet dann recht gern Verzicht.

Der Sauerampfer
Am Bahndamm stand ein Sauerampfer,
 sah Zug auf Zug, doch nie 'nen Dampfer.
Er fragt, wie sowas möglich wär'
und sehnt sich nach dem fernen Meer.

Bumerang
War einmal ein Bumerang;
War ein Weniges zu lang.
Bumerang flog ein Stück,
Aber kam nicht mehr zurück.
Publikum – noch stundenlang –
Wartete auf Bumerang.

Mensch und Tier
Wenn ich die Gesichter rings studiere,
Frage ich mich of verzagt:
Wieviel Menschen gibt's und wieviel Tiere?
ABCD

Kommentar

Bei Heinrich Graf Yorck von Wartenburg , einem Urenkel von Ludwig Graf Yorck von Wartenburg , arbeitete Joachim Ringelnatz 1912 als Privatbibliothekar auf dem Schloss Klein-Öls, wo er vor allem den Nachlass Wilhelm Diltheys ordnete.

"Klein-Oels

Es war am 4. Februar 1912, da mich eine Equipage auf dem Bahnhof in Ohlau abholte und nach dem Schloß Klein-Oels rollte. Ein Diener brachte mich auf mein Zimmer, das letzte Zimmer im rechten Flügel des hufeisenförmigen Baues. Alles, was ich sah, war so vornehm, daß mich die Frage beklommen machte, wie ich mich dem anpassen könnte.

Abend war's. Der Diener servierte mir eine Platte, auf der vier Schnitzel à discrétion lagen. Die aß ich alle vier auf.

Der Hauslehrer Otto besuchte mich, gab mir die ersten Anweisungen. Zu den Mahlzeiten erschiene man stets in Schwarz  
 ."

ABCD

Zitate 

Einst waren wir reich und mächtig.
Jetzt sind wir niederträchtig.

Auch die besessensten Vegetarier beißen nicht gern ins Gras.

Der Nachruf ist meistens besser als der Ruf.

Sicher ist, daß nichts sicher ist, selbst das nicht.

Die gerechte Entrüstung ist leider seltener als die ungerechte Entrüstung.

Paßbilder sind die Rache des Fotografen.

Jeder spinnt auf seine Weise –
der eine laut, der andere leise.

Was du als richtig empfunden, das sage und zeige. Oder schweige!

Sport stärkt Arme, Rumpf und Beine,
kürzt die öde Zeit,
und er schützt uns durch Vereine
vor der Einsamkeit.

Ich warne euch, ihr Brüder Jahns,
vor jeder Form des Fußballwahns!

Werd ich vor's Gästebuch gezerrt,
so denk ich mit Verdruß,
ich werde ins Klosett gesperrt,
obwohl ich gar nicht muß!

Wenn Amtsgeheimnisse gelüftet werden, gibt es Stunk.

Die Leute sagen immer:
Die Zeiten werden schlimmer.
Die Zeiten bleiben immer.
Die Leute werden schlimmer.

Schlechte Menschen ohne Geist,
ohne Geschmack,
Wenn sie noch so reich sind,
bleiben nur Pack.
D

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