Freitag, 17. Oktober 2014

Erster evangelischer Gottesdienst in Ortenburg 

am 17. Oktober 1563. 
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Reichsgraf Joachim von Ortenburg führte die Reformation in seiner niederbayerischen Grafschaft ein.

 

Die Grafen von Ortenburg zählten von jeher zu den angesehensten und mächtigsten Geschlechtern des bayerischen Hochadels, so dass sie an Macht und Besitz mit den Wittelsbachern wetteiferten. Ihre größte Besitzausdehnung hatten sie im 12. Jahrhundert.

Einer der fähigsten dieses Stammes, Graf Joachim zu Ortenburg, trat 1551 die Regierung an. Infolge seiner Eigenschaften, seines Besitzes und seiner Verwandtschaft, genoss er großes Ansehen. 1555 wurde er Beigeordneter des Bayerischen Herzogs und nahm auf den Landtagen eine führende Stellung ein. Er war längere Zeit kaiserlicher Rat im Dienste Kaiser Ferdinands
. Schon 1553 setzte sich Joachim in Bayern für Beschwerden wegen kirchlicher Missbräuche ein. Auf dem Reichstag zu Augsburg 1555 machte er sich für die protestantische Seite stark. Ein Jahr später setzte er sich erneut im Landtag zu München dafür ein, dass die ländlichen Stände mit ihm an der Spitze die Erlaubnis erhielten, das Abendmahl in beiden Gestalten (Brot und Wein) spenden zu lassen. Dies scheiterte jedoch und empörte die bayerischen Bischöfe. Im Jahre 1563, auf dem Landtag zu Ingolstadt, wurde erneut über die Gleichstellung der beiden Abendmahlsformen diskutiert. Herzog Albrecht V. war nicht bereit, auf seinem Gebiet eine andere Glaubensrichtung als die bisherige zu dulden, und so zogen sich Joachim und einige andere Reichs- und Landesstände seinen Zorn zu.  

Nach der Königskrönung des späteren Kaisers Maximilian II.
und der Rückkehr nach Ortenburg führte Joachim am 17. Oktober 1563, gestützt auf den Augsburger Religionsfrieden, die Reformation in seiner Reichsgrafschaft ein. Er hatte erkannt, dass weder die bayerischen Landesstände sich trauten, noch Herzog Albrecht bereit war, die Augsburger Konfession ganz einzuführen. Von nun an hatten die Ortenburger jahrelang Streit mit Herzog Albrecht V. und dessen Nachfolgern, Herzog Wilhelm V. und Herzog Maximilian I. .

Auch wenn die Reichsgrafschaft mit gerade einmal 2.000 Einwohnern und einer Fläche von eineinhalb Quadratmeilen nicht besonders groß war, war die Einführung des Protestantismus ein gewagter Schritt, denn die Ortenburger waren der angesehenste und einflussreichste bayerische Reichsstand. Auch die zentrale Lage der Grafschaft im Mittelpunkt der katholischen Mächte in Süddeutschland zeigt die Bedeutung, aber auch das Streitpotential, welches diese Entscheidung mit sich bringen konnte. Schon bald zog der neue Glauben viele Menschen aus dem Umland Bayerns nach Ortenburg, um den lutherischen Lehren zu folgen.

Die bayerischen Herzöge fochten die Reichsunmittelbarkeit Ortenburgs mehrfach an und versuchten vor dem Reichskammergericht durchzusetzen, dass Ortenburg bayerisch würde, um damit die Reformation rückgängig machen zu können. Dieser Gerichtsprozess schwelte schon seit 1549, doch erst mit dem Glaubenskonflikt nahm dieser eine besondere Bedeutung an. 

Am 17. Dezember 1563 besetzte Albrecht die Grafschaft und bezog sich dabei auf die Öffnungsverpflichtung der Grafen Etzel und Georg aus dem Jahre 1391.Doch Joachim sah deswegen keinen Grund, die protestantischen Gottesdienste einzustellen. So ließ Albrecht am 20. Februar 1564 die Priester und alle bayerischen Gottesdienstbesucher verhaften, wozu ihn jedoch nicht einmal das Öffnungsrecht berechtigte. Graf Joachim reichte diesbezüglich Beschwerde beim Reichskammergericht und bei Kaiser Ferdinand und König Maximilian II. ein. So kam es zu einem zweiten Prozess vor dem Reichskammergericht. Um die weitere Verbreitung des neuen Glaubens zu verhindern, sperrte Herzog Albrecht 1564 die Zugänge der Grafschaft mit seinen Soldaten. Da der Ortenburger Graf Herzog Albrecht weiterhin nicht Folge leistete, zog dieser alle Ortenburger Lehensgüter im Herzogtum Bayern ein, wodurch die Ortenburger die meisten ihrer Einnahmequellen verloren. Die protestantischen Fürsten aus Sachsen, Württemberg und Neuburg unterstützten jedoch die Ortenburger, da sie mit Hinweis auf die Ortenburger Sache beim nächsten Reichstag die noch nicht geklärten Fragen des Protestantismus lösen wollten.

Kaiser Maximilian II versuchte, zwischen den Parteien zu vermitteln. Diese Verhandlungen drohten mehrmals zu scheitern. Obwohl der Kaiser 1565 Herzog Albrecht verpflichtete, den Ortenburgern ihre Besitzungen zurückzugeben, weigerte sich dieser. Auch nach mehreren Versuchen kam es zu keiner Einigung. Obwohl der Kaiser die Vermittlerrolle abgeben wollte, hatte er keine Wahl, denn die protestantischen Fürsten würden dies beim nächsten Reichstag zur Sprache bringen. 1566, auf dem Reichstag in Augsburg, kam es dann doch so weit, dass sich die Reichsfürsten für die Ortenburger Sache einsetzten. Das von Maximilian angestrebte Ziel, noch vor dem Reichstag eine Lösung zu erarbeiten, war gescheitert. Aber auch Albrecht V. wurde nun unruhig, da er fürchtete, er könne durch Beschluss des Reichstages bestraft werden, wenn er einen Verstoß gegen den Glaubensfrieden begangen haben sollte. 

 

So ersuchte er Kurfürst August von Sachsen , die Vermittlerrolle anzunehmen. Beide Seiten akzeptierten dies und es kam zu erneuten Verhandlungen. Im Mai 1566 kam es zu einem Vertrag zwischen dem Herzogtum Bayern und der Grafschaft Ortenburg, worin der Streit vorläufig beigelegt wurde und die Ortenburger ihre Besitzungen wiedererlangten. Die Ortenburger durften evangelisch bleiben, jedoch durfte nur in der Schlosskapelle evangelischer Gottesdienst abgehalten werden. Alle weiteren Fragen wurden bis zum Ausgang der beiden Prozesse vor dem Reichskammergericht vertagt.  

Im Oktober 1566 führte Joachim gemeinsam mit den Ältesten der Linie Söldenau, Graf Ulrich III. und Graf Johann III., die bereits geltende Senioratserbfolge in der Grafenfamilie gesetzlich ein. Dies war bis dahin ein ungeschriebenes Familiengesetz. Kaiser Maximilian II. bestätigte dies ein Jahr später. Somit sicherten sich die Ortenburger Grafen auch im Falle eines Aussterbens einer Linie ihre Herrschaftsansprüche auf die Grafschaft.

Zwischen 1562 und 1575 ließ Joachim trotz der finanziellen Lasten des Streites mit den bayerischen Herzögen die Feste Alt-Ortenburg als Schloss über dem Markte wieder errichten. Sie sollte wieder die Stammburg seines Geschlechtes werden, denn zu seiner Regentschaft residierte er zu Mattighofen. Um die wirtschaftliche Situation und den Wohlstand der Grafschaft zu verbessern, förderte Joachim den Hopfenanbau und errichtete 1568 auf dem Marktplatz das sogenannte „Bräu- und Pflegeamtshaus“. In der gräflichen Brauerei wurde bis ins Jahr 1917 Bier gebraut. Ulrich III., Joachims Cousin, folgte seinem Beispiel im Jahre 1577 und richtete in seinem Schloss eine kleine Brauerei ein. Diese stellte erst 1991 den Betrieb ein. Graf Joachim ließ außerdem an der Wolfach eine weitere Mühle errichten; da sich diese jedoch nicht bezahlt machte, verkaufte er sie bald. Er förderte aber auch die Bildung in Ortenburg, so ließ er zwischen Marktplatz und der Marktkirche ein Schulhaus errichten und übernahm großteils die Kosten für die Schule.

Das Reichskammergericht verkündete seine Urteile am 4. März 1573 zugunsten der Ortenburger. Darin wurde bestätigt, dass Ortenburg kein Bestandteil des bayerischen Herzogtums war, sondern ein Reichslehen mit den dazugehörigen Rechten. Ebenso wurde darin das Öffnungsrecht aus dem Jahre 1391 für ungültig erklärt, da Ortenburg ein Reichslehen und kein Landeslehen sei. Des Weiteren wurde den Herzögen „Stillschweigen“ in dieser Sache verordnet, dies bedeutete, dass die Grafschaft ihre Reichsrechte behielt und diese nicht mehr anfechtbar waren.

Im gleichen Jahr starb Graf Anton von Ortenburg, Joachims einziger Sohn. Nun war abzusehen, dass Joachim wohl ohne direkte Erben bleiben würde, aber das 1566 von ihm eingeführte Gesetz sicherte seine Nachfolge durch die anderen Ortenburg'schen Linien. Herzog Albrecht versuchte dennoch, nach seiner gerichtlichen Niederlage bei Kaiser Maximilian zu erreichen, dass die Grafschaft nach Joachims Tod als erledigtes Reichslehen an Bayern fiele. Dies erreichte er 1574 nur annähernd. Die Grafschaft sollte an die Herzöge von Bayern fallen, wenn das ganze Ortenburg'sche Geschlecht aussterbe. Da dies zu keinem Zeitpunkt je der Fall gewesen war, blieb die Grafschaft stets in Ortenburger Hand.

Da Joachim nach dem Urteil nun erneut versuchte, den Protestantismus zu verbreiten, sperrte Albrecht die Grafschaft wiederum ab. Ebenso untersagte er allen bayerischen Händlern den Handel mit Ortenburg. Joachim sah sich genötigt, ein weiteres Mal vor das Reichskammergericht in Speyer zu gehen. 1575 und 1576 entschied dieses erneut für die Ortenburger Sache. Albrecht reagierte jedoch erst 1577 auf die gerichtlichen Beschlüsse und fügte der Ortenburger Grafschaft somit großen finanziellen Schaden zu. Joachim legte zwar diesbezüglich erfolgreich Beschwerde beim Reichskammergericht ein, jedoch gab es aus unbekannten Gründen keine Konsequenzen für den Herzog.

Im Laufe der Zeit kam es wieder zu Glaubensstreitigkeiten zwischen Joachim und den bayerischen Herzögen, welche erneut die Ortenburg'schen Ländereien besetzt hatten. Nach dem Tod Albrechts folgte diesem Herzog Wilhelm V. Joachim wandte sich 1579 an ihn und bat um Rückgabe seiner Ländereien. Des Weiteren machte ihm Joachim den Vorschlag, Bayern solle ihm die Grafschaft abkaufen und ihm und seinem Geschlecht eine andere Grafschaft an der Grenze zur Verfügung stellen. Wilhelm lehnte dies jedoch ab. Joachim versuchte nun erneut über das Reichskammergericht und den Reichstag zu seinem Rechte zu kommen.

Nach weiterem jahrelangem Streit versuchten die Kurfürsten von Sachsen, Brandenburg, Mainz und Trier 1584 zu vermitteln. So fanden im Herbst des Jahres Verhandlungen in Donauwörth statt. Selbst Kaiser Rudolf
nahm daran teil. Doch auch diese scheiterten an den verhärteten Verhandlungsfronten beider Seiten. Selbst ein neues Verkaufsangebot Joachims lehnte der bayerische Herzog ab. Auf Vermittlung von Graf Hans Fugger kam es in den Jahren 1589 und 1590 erneut zu Verhandlungen, diesmal aber mit dem Ziel, die Grafschaft an die Herzöge zu verkaufen. Doch auch hier kam es zu keinem Abschluss. Ein weiterer Versuch des Grafen von Fugger scheiterte 1590 ebenso.

1594, beim Reichstag in Regensburg, wandte sich Joachim erneut an die Reichsstände, welche sich wiederum für die Ortenburger Sache einsetzten und Kaiser Rudolf darum baten sich erneut darum anzunehmen. Tatsächlich schrieben der Kaiser und Joachim gemeinsam an Herzog Maximilian, welcher die Geschäfte ab 1594 von Wilhelm nach und nach übernahm, einen Brief. Doch eine Antwort blieb aus, so dass Joachim nun versuchte mit einem Schiedsgericht endlich eine Lösung zu finden. Herzog Maximilian lehnte dies ab und versuchte dies hinauszuzögern. Der Ortenburger klagte diesbezüglich vor dem Reichskammergericht, jedoch erlebte Joachim den Ausgang des Prozesses nicht mehr. Er verstarb im Jahre 1600 während eines Aufenthalts in der Reichsstadt Nürnberg.

Das Ortenburger Haus war durch den jahrzehntelangen Glaubenskonflikt und den Streit um die Reichsunmittelbarkeit sehr geschwächt und verlor die meisten Besitztümer. Außer der Reichsgrafschaft waren nahezu keine weiteren Besitzungen mehr vorhanden. Des weiteren waren die Grafen durch den Rechtsstreit und die vielen Prozesskosten hoch verschuldet. Außerdem vermachte Joachim seiner zweiten Frau Lucia die Grafschaft als Erbe, sodass die Ortenburger diese erst wieder auslösen mussten. Der Glaubenswechsel hatte der Grafschaft und dem Geschlecht unermesslichen Schaden zugefügt.

 

Doch für den protestantischen Glauben in Süddeutschland war Joachims Einsatz ein unbeschreiblicher Erfolg. Ein weiterer Erfolg, trotz aller Kosten, war die Bestätigung der Reichsunmittelbarkeit im März 1573. Durch das Urteil des Reichskammergerichts war die Grafschaft endgültig Reichslehen und damit nicht bayerisch. So konnten die bayerischen Herzöge in den nächsten Jahrhunderten alle kleinen reichsunmittelbaren Gebiete in ihrem Bereich dem Herzogtum einverleiben, bis auf die kleine Reichsgrafschaft Ortenburg. So hat sich auch der Bestand des evangelisch-lutherischen Bekenntnisses in Ortenburg über vier Jahrhunderte bis heute erhalten.

Im Oktober 1624 verfügte Kaiser Ferdinand II.
von Österreich die Ausweisung der Protestanten aus seinem Land. Der nächstgelegene Zufluchtsort für diese Glaubensflüchtlinge war die Grafschaft Ortenburg. So fanden unter Graf Friedrich Casimir (1591 - 1658) unmittelbar vor Ostern 1626 hundert dieser Flüchtlinge, davon 42 Kinder, zumeist aus dem Raum Grieskirchen, Neumarkt und Peuerbach, in Ortenburg Zuflucht. Bis Ende 1626 trafen nochmals mehr als 100 Glaubensflüchtlinge aus Osterreich, teils aus dem Lande ob der Enns, in Ortenburg ein. Da für die vielen Obdachlosen auf Dauer keine entsprechenden Wohnungen zur Verfügung standen, überließ ihnen der Graf in dem östlich von Ortenburg gelegenen Waldgebiet Grund und Boden, den sie roden und sich darauf ansiedeln konnten. So entstanden die heutigen Orte Vorderhainberg und Hinterhainberg. Nach der Überlieferung führten diese Österreicher den Mostobstanbau ein und brachten die Kunst des Mostbereitens mit, was in der Folgezeit wirtschaftliche Bedeutung erlangte.  

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