Sonntag, 9. November 2014

Philipp Scheidemann ruft die Deutsche Republik aus

 

am 9. November 1918 in Berlin.

 

Scheidemann sagte in seiner Ansprache: "Das deutsche Volk hat auf der ganzen Linie gesiegt. Das alte Morsche ist zusammengebrochen; der Militarismus ist erledigt! Die Hohenzollern haben abgedankt! Es lebe die deutsche Republik! Der Abgeordnete Ebert ist zum Reichskanzler ausgerufen worden. Ebert ist damit beauftragt worden, eine neue Regierung zusammenzustellen. Dieser Regierung werden alle sozialistischen Parteien angehören. Jetzt besteht unsere Aufgabe darin, diesen glänzenden Sieg, diesen vollen Sieg des deutschen Volkes, nicht beschmutzen zu lassen und deshalb bitte ich Sie, sorgen Sie dafür, dass keine Störung der Sicherheit eintrete! Wir müssen stolz sein können in alle Zukunft auf diesen Tag! Nichts darf existieren, was man uns später wird vorwerfen können! Ruhe, Ordnung und Sicherheit ist das, was wir jetzt brauchen! ... Sorgen Sie dafür, dass die neue deutsche Republik, die wir errichten werden, nicht durch irgendetwas gefährdet werde. Es lebe die deutsche Republik.

 

Vorgeschichte und Ablauf: Im Oktober 1918 fanden mit den Kriegsgegnern erste Vorgespräche über einen Waffenstillstand statt. Dennoch befahl die deutsche Seekriegsleitung das Auslaufen der Flotte zu einem letzten "ehrenvollen" Gefecht gegen britische Verbände. Dieser Befehl war Anlass zu Meutereien kriegsmüder Matrosen in Wilhelmshaven und Kiel. Wie ein Flächenbrand weitete sich der Matrosenaufstand innerhalb weniger Tage über Deutschland aus. Zunehmend verlagerte sich die Initiative zur Revolte von Soldaten und Matrosen auf die ebenfalls kriegsmüden Arbeiter. Bis zum 10. November bildeten sich praktisch in allen größeren deutschen Städten revolutionäre Arbeiter- und Soldatenräte, welche die städtische Verwaltung übernahmen. Die Aufständischen stellten über das Militärische hinausgehend politische Forderungen. Ihr Ruf nach Frieden, Abdankung des Kaisers und nach Umwandlung des Deutschen Reiches in eine demokratische Republik wurde lauter. Der erste deutsche Thron fiel in Bayern: In München proklamierte die Rätebewegung am 7. November die Bayerische Republik . Als auch andere Fürsten in den nächsten Tagen ihrem Thron entsagen mussten, zerfiel die Monarchie in Deutschland ohne nennenswertes Blutvergießen. 

Am Morgen des 9. November erreichte die revolutionäre, antimonarchische Stimmung Berlin. Aufgerufen von revolutionären Obleuten, zumeist dem linken Flügel der USPD nahestehende Vertrauensleute in den Betrieben, traten die Arbeiter in den Ausstand. Zu Hunderttausenden formierten sie sich zu gewaltigen Demonstrationszügen durch das Zentrum der Reichshauptstadt. Ihnen schlossen sich die Soldaten der drei Jägerbataillone an, die zu diesem Zeitpunkt als einzige Truppen in Berlin stationiert waren. Die Demonstranten bekundeten ihren Willen zum Frieden, zum Bruch mit dem monarchischen Obrigkeitsstaat und zu einer umfassenden Neuordnung der politischen Verhältnisse. 

Durch die Nachricht, dass auch die als besonders kaisertreu geltenden Naumburger Jäger zu den Aufständischen übergegangen seien, gelangte Reichskanzler Max von Baden zu der Einsicht, es gäbe zu der Abdankung des Kaisers keine Alternative. Da der im Großen Hauptquartier im belgischen Spa weilende Wilhelm II. trotz des Drängens des Reichskanzlers nicht bereit war, dem Thron zu entsagen, erklärte Max von Baden zur Beruhigung der revoltierenden Massen schließlich eigenmächtig den Thronverzicht des Monarchen. Obwohl die Ernennung der Reichsregierung allein dem Kaiser zustand, übergab er in einem verfassungswidrigen Akt dem Parteivorsitzenden der SPD, Friedrich Ebert , das von diesem geforderte Amt des Reichskanzlers. 

Die SPD-Führung wollte sich an die Spitze der revolutionären Bewegung stellen und durch Regierungsumbildung ein Blutvergießen verhindern. Unter allen Umständen versuchte Ebert zu vermeiden, dass der bislang nahezu unblutig verlaufende Umsturz ähnlich der Revolution in Russland zu einem Bürgerkrieg ausartete. Einer demokratisch zu wählenden Nationalversammlung sollte die Entscheidung über die zukünftige Staatsform des Deutschen Reiches vorbehalten bleiben. Zutiefst empört zeigte sich Ebert daher, als sein Parteifreund Scheidemann ohne Rücksprache um 14 Uhr von einem Fenster des Reichstages die Republik ausrief. Mit diesem symbolischen Akt brach Scheidemann demonstrativ mit dem alten Regime, um die wachsende revolutionäre Stimmung der Massen einzudämmen. Gleichzeitig wollte Scheidemann der Ausrufung der "freien sozialistischen Republik Deutschland" durch den Spartakistenführer Karl Liebknecht um 16 Uhr vom Balkon des Berliner Schlosses zuvorkommen. 

Die doppelte Ausrufung der Republik verdeutlichte die zunehmende Polarisierung der Revolutionsbewegung. Unter der Losung "Kein Bruderkampf!" versuchte die SPD-Führung, die Republik zu schützen und einen Bürgerkrieg zu verhindern. In der zweiten Novemberwoche 1918 war die Ausgangslage in Deutschland von einem labilen Gleichgewicht zwischen drei um die Macht konkurrierenden Gruppierungen gekennzeichnet. Neben den Überresten der alten staatlichen Gewalten, Armee und Verwaltung, standen die gemäßigten Kräfte der aus Sozialdemokratie, Zentrum und Linksliberalen bestehenden Reichstagsmehrheit. Sie traten für die Bildung eines modernen demokratischen Staatswesens bei grundsätzlicher Beibehaltung der bestehenden wirtschaftlichen und sozialen Strukturen ein. Hinzu kam die heterogene Sammlung linskrevolutionärer Gruppen, allen voran der Spartakusbund unter Führung Rosa Luxemburgs und Karl Liebknechts, die unter Berufung auf die russische Oktoberrevolution den Parlamentarismus grundsätzlich ablehnten. In ihrem Zentralorgan "Die Rote Fahne" riefen Luxemburg und Liebknecht unermüdlich zur Bildung einer sozialistischen Räterepublik auf. 

Dieser Machtkampf entschied sich schon in den ersten Tagen der Revolution zugunsten des Parlamentarismus. Am 10. November legte Kaiser Wilhelm II. den Oberbefehl nieder und ging nach Holland ins Exil. Am gleichen Tag bildeten SPD und USPD auf paritätischer Grundlage den Rat der Volksbeauftragten unter gleichberechtigtem Vorsitz von Ebert und Hugo Haase . Er stellte die tatsächliche Staatsspitze dar und stieß auf keinen ernsthaften Widerstand. Ebenfalls am 10. November gab General Wilhelm Groener im Namen der Obersten Heeresleitung eine Loyalitätserklärung gegenüber der neuen Regierung ab und sicherte ihr militärische Unterstützung im Fall linksradikaler Angriffe zu. Im Gegenzug garantierte Ebert die Autonomie der militärischen Führung. Mit dem Ebert-Groener-Pakt stellte sich mit dem Militär ein entscheidender Machtfaktor der Regierung zur Verfügung. Der Pakt ermöglichte es der Sozialdemokratie in den folgenden Wochen, ihren Machtanspruch auch in den bürgerkriegsähnlichen Zuständen durchzusetzen. 

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