Sonntag, 21. Dezember 2014

Karl August Lingner
ABCD
* 21. Dezember 1861 in Magdeburg 
5. Juni 1916 in Berlin 

ABCD
D
eutscher Unternehmer und Philanthrop.

Lingner wurde als dritter Sohn eines Kaufmanns geboren. In seiner Heimatstadt besuchte er die städtische Höhere Gewerbeschule. Im Alter von 15 Jahren ging er in das märkische Gardelegen und arbeitete als Handlungsgehilfe in einem Warenladen. 1883 zog es Lingner nach Paris. Sein Vorhaben, Musik am Pariser Konservatorium zu studieren, scheiterte ebenso wie seine Tätigkeit als Handelsvertreter für deutsche Firmen. Mittellos kehrte er 1885 nach Deutschland zurück. In Dresden fand er eine Anstellung als Korrespondent in einer Nähmaschinenfabrik.

Mit dem Techniker G. W. Kraft gründete Lingner 1888 die Firma Lingner & Kraft
. Die Produktion in einer Gartenlaube auf der Wölfnitzstraße umfasste unter anderem Rückenkratzer, Stahllineale und Federreiniger. 1892 verließ Kraft das Unternehmen. 

 

Lingners Freund, der Chemiker Richard Seifert , bot nach mehrjähriger Forschungsarbeit 1891/92 Lingner die Rezeptur eines Antiseptikums zur Vermarktung an und eröffnete ihm damit den Zugang zu den maßgebenden Arbeiten der modernen Bakteriologie. Da die Mundhöhle als die Haupteintrittspforte krankheitserregender Bakterien galt, entschloss sich Lingner zur Herstellung eines Mundwassers. Mit der Herstellung des „Odol“ (von griechisch odous – Zahn und lateinisch oleum – Öl) kam Lingner dem Bedürfnis breiter Bevölkerungsschichten nach Schutz vor den unsichtbaren Bakterien nach; sein Produkt fand daher reißenden Absatz.

Am 3. Oktober 1892 gründete Lingner das Dresdner Chemisches Laboratorium Lingner. Ab 1912 firmierte das Unternehmen als „Lingner-Werke“
. Die Produktion wuchs ständig, schließlich wurde das Stammhaus der Lingner-Werke auf der Nossener Straße 2/4 etabliert und ein weltweites Fabrikations- und Betriebssystem aufgebaut. Lingner entwickelte gemeinsam mit Richard Seifert Odol zu einer unverwechselbaren Marke und fand als Mitbegründer der Markenartikelindustrie und modernen Werbung Eingang in die allgemeine Industriegeschichte.

Innerhalb weniger Jahre erwirtschaftete Lingner aus dem Nichts ein zweistelliges Millionenvermögen, das ihm einen fürstlichen Lebensstil ermöglichte. Fortan begleiteten Neid und Missgunst den Erfolgreichen, der unter anderem die Villa Stockhausen
in Dresden und das Schloss Tarasp in der Schweiz zu seinem Immobilienbesitz zählte. Er war Mitglied im Kaiserlichen Motorjachtklub und sorgte für Aufsehen mit seiner Motorjacht auf der Kieler Woche. Standesgemäß fuhr Lingner als Vorsitzender des Sächsischen Automobilklubs einen Mercedes. Rauschende Feste, sein Orgelspiel und augenscheinliche Männerfreundschaften bewirkten Aufsehen, Bewunderung und Ablehnung. Er stieg bis zum Rang einer Excellenz auf, während ihm der erhoffte Adelstitel versagt blieb. Lingner blieb unverheiratet, hatte jedoch mehrere Affärenzwei und zwei uneheliche Kinder. Aus der Beziehung mit der Schauspielerin Julia Serda entspross die uneheliche Tochter und spätere Schauspielerin und Fotografin Charlotte Serda

Durch die Beschäftigung mit dem Desinfektionswesen seiner Zeit kam Lingner zum Studium der sozialhygienischen Literatur. Er erkannte die bestehende Unkenntnis der Bevölkerung bezüglich der Entstehung und Verbreitung von Erkrankungen und setzte in der Folge einen großen Teil seines Millionenvermögens für die hygienische Volksbelehrung und zur Unterstützung gemeinnütziger Einrichtungen ein: Ausstellung Volkskrankheiten und ihre Bekämpfung 1903 und die erste Internationale Hygiene-Ausstellung Dresden 1911. Letztere erreichte mit über 5 Millionen Besuchern die Dimension einer Weltausstellung für Gesundheit. Die von Lingner entwickelte Ausstellungsmethodik macht ihn zum Vorreiter der modernen hygienischen Volksbelehrung.

Lingner verstand es, kompetente Mitarbeiter für seine gemeinnützigen Pläne zu begeistern bzw. moderne Projekte zu unterstützen: Kinderpoliklinik mit Säuglingsheim in der Johannstadt 1897, die erste Säuglingsklinik der Welt 1898, die Zentralstelle für Zahnhygiene 1900, die Öffentliche Zentralstelle für Desinfektion 1901, die Desinfektorenschule 1902, die Dresdner Lesehalle 1902 und das Deutsche Hygiene-Museum 1912.

1910/11 begründete Lingner mit dem Sächsischen Serumwerk Dresden
ein weiteres erfolgreiches Unternehmen in Dresden, er selbst belieferte die kämpfenden Truppen im Ersten Weltkrieg mit Heilsera. Mit der Gründung des Politisch-wissenschaftlichen Archivs 1915 in Berlin versuchte Lingner, die durch den Weltkrieg geschwächte internationale Position Deutschlandes zu stärken. Die Visionen zur Gründung einer europäischen Staatengemeinschaft konnte Lingner, der von Gustav Stresemann als zukünftiger deutscher Botschafter gesehen wurde, nicht mehr verfolgen. Er starb 1916 in Berlin nach einer Zungenkrebsoperation im Alter von 54 Jahren.

Die testamentarisch begründete Lingner-Stiftung sicherte den Fortbestand seiner gemeinnützigen Einrichtungen. Seinen letzten Wohnsitz, die von Adolf Lohse
erbaute Villa Stockhausen, genannt Lingnerschloss, vermachte er der Stadt Dresden zum Besten der Bevölkerung von Dresden und Umgebung. Die Lingner-Werke wurden auch nach Lingners Tod von den Nachfolgern fortgeführt und produzierten bis 1945. Beim Luftangriff fiel das Gebäude an der Zwickauer Straße den Bomben zum Opfer und wurde im Zusammenhang mit dem Neubau der Nossener Brücke beseitigt. Nach der Verstaatlichung des Unternehmens verlegten Lingners Erben den Betrieb nach Bühl (Baden), wo unter dem Namen Lingner + Fischer auch weiterhin Odol-Mundwasser im klassischen Design hergestellt wurde. In der DDR wurde die Tradition im Dresdner VEB Elbe-Chemie fortgesetzt. Heute gehört das Unternehmen zum Konzern GlaxoSmithCline .
ABCD

Weitere Infos:     

Register:   
Email:   Quelle: Internet
nach oben